: Die samtweichen Fischschnauzen
■ Preisgekrönt: „Koch Eduard träumt“ von der Bilderbuch-Illustratorin Juliane Plöger mit „Koch Eduard träumt“
Gibt es Fische, die lächeln, und Betten, die einen zu sich rufen? Die Welt der Kinder ist eine andere als die der Erwachsenen. Kluge Erwachsene wissen das.
Das Bilderbuch „Koch Eduard träumt“ der Illustratorin Juliane Plöger wurde als „überragendes Erstlingswerk“ bei der Kinderbuchmesse mit dem Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreis ausgezeichnet. Die großformatigen Bilder in leuchtendem Orange und Grasgrün von schönen Fischfamilien und einem nachdenklichen Koch zeigen, wie Juliane Plöger die Welt zu Papier bringt: kompromißlos subjektiv und in Nahaufnahmen. Meist konzentriert sich die Zeichnerin auf Ausschnitte, die anderen entgehen würden, etwa die samtweichen Fischschnauzen, die das langgestreckte Gesicht des traurigen Kochs Eduard in seinen Träumen streicheln. Für die Geschichte vom Fischkoch Eduard sind diese Erfahrungen jedoch ganz zentral. Schließlich ist es doch der nächtliche Traum von Leben der Fische, der den Fischkoch dazu bringt, die Speisekarte zu ändern und statt Kabeljau nun Pfannkuchen mit Quark anzubieten.
Das Publikum gibt der Autorin recht: „Kinder haben einen anderen Blick. Sie nehmen selten die Gesamtperspektive wahr. Meist verlieren sie sich an die Details. Die Übersichtlichkeit des aufgeräumten Kinderzimmers, wie sie in vielen Bilderbücher gezeigt wird, interessiert sie gar nicht.“
Möglicherweise ist die Illustratorin den Kinderbüchern jedoch so nahe gekommen, weil sie Jahre lang mit einem Material gearbeitet hat, das der kindlichen Welt denkbar fern ist: Plakatwänden und großen schweren Ausrissen daraus. Schon während des Studiums, das Juliane Plöger an der Hamburger Fachhochschule für Gestaltung absolvierte, hat sie mit diesem robusten Material gearbeitet. Urspünglich habe sie zwar auch die Idee von den „netten“ Kinderbuchillustrationen, wie man sie gemeinhin so kennt, gehabt. Aber bald habe die Experimentierfreude gesiegt, auf anderen Materialien und Hintergründen zu malen. Die dicken Schichten, die sich im Laufe der Monate aus Papier und Kleister auf Plakatwänden ablagern, waren ein reizvoller Malgrund. „Ich habe riesige Stücke herausgesägt und dann Schicht um Schicht auseinandergerissen, so daß etwas wie ein Buch entstand. Aus diesen vorgefundenen Strukturen der aufgerissenen Seiten entstehen meine Gesichter. Mein Blick bleibt an den ungewöhnlichsten Dingen hängen. Ich gucke auch in die Wolken, sehe darin Bilder.“
Aus den abstraktesten Ausrissen sind dann 1992 die ersten farbigen Fische entstanden, die der Bilderbuchkoch Eduard in seinen Träumen kennenlernt. Und bald nicht mehr töten und für seinen Gäste zubereiten mag. Bis das Bilderbuch dann endlich in diesem Herbst beim Esslinger Kinder- und Jugendbuch-Verlag erscheinen konnte, brauchte es noch einen langen Atem. Jahrelang habe sie bei Verlagen vorgesprochen, sagt Juliane Plöger: „Alle haben mir immer gesagt, wie schön sie das alles finden, aber sich dann nicht getraut den Koch Eduard träumt heraus zu bringen.“Vordergründig lag das sicher an den Gesetzen des Marktes, der reine Bilderbücher nicht verkraftet, sondern immer einen Text dazu braucht. Der Esslinger-Verlag hat, um hier abzuhelfen, die Autoren Anja Goller und Thomas Brinx engagiert, die einen frei den Bildern zugeordneten Text verfaßt haben. Wirklich zögern ließ die meisten Verlage aber das Ungewöhnliche der Bilder von Juliane Plöger. „Aquarellhaftes und was an Janosch erinnert“, hat Juliane Plöger in Erfahrung gebracht „verkauft sich wie geschnitten Brot.“ Kräftige Farben in Aquamarinblau, Seegrasgrün und Leuchtorange dominieren, ohne daß die Bilder etwas gefällig Kindgerechtes bekämen. Hier lugen keine Stupsnäschen keck im die Ecke und auch Sommersprossen fehlen ganz. Stattdessen traurig melancholische Augen beim einsamem Koch Eduard.
Susanne Raubold
„Koch Eduard träumt“, Esslinger-Verlag kostet 22,80 Mark
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