: Versiko ist Aktiengesellschaft
■ Ab Dezember können Kunden die Aktien des Versicherungs-Unikums kaufen
„Es ist wichtig, aus unserem Zirkel herauszukommen, um das bewegen zu können, auch ökologisch, was wir uns politisch vorgenommen haben. Schließlich wollen wir Macht beeinflussen.“ Denn: „Der verantwortungsbewußte Einsatz von Geld ist überlebensnotwendig.“ So spricht Alfred Platow (48), vor über 20 Jahren Gründer der Firma Versiko und seit August Vorstandsvorsitzender der neuen Versiko AG.
Macht, Politik, Ökologie, Verantwortungsbewußtsein – unübliches Vokabular im Busineß der Risiken, Prämien und Profite. Anders Versiko: Die Renten-, Lebens- und Unfallversicherungen sind auf eine linksliberale, grün- alternative Klintel (26.000 Kunden bundesweit) zugeschnitten. Heute wandern erst zehn Prozent der Versiko-Einlagen in ethisch-ökologische Investmentfonds, etwa bei der „Versi-Rente“. 1996 soll gemeinsam mit der Ökobank ein eigener 100prozentiger Ökofonds in Luxemburg namens „Ökosar“ aufgelegt werden.
„Die Macht des Geldes transparent machen“
In der Versicherungsbranche gibt es gemeinhin nur ein Unternehmensziel: aus 1 Mark Input mindestens 1,01 Mark Output zu machen. Versikos Firmenmotto lautet dagegen „Die Macht des Geldes transparent machen“. Doch das kann Versiko auch als AG nicht allein. Denn als Zulassungsvoraussetzung einer autarken Versicherungsfirma verlangt das Bundesaufsichtsamt für Versicherungswesen in der Regel 20 Millionen Mark auf einem Sicherungskonto. „Das wäre unrealistisch und auch dumm für uns“, so Platow. Also mußten Partner her. Doch Berührungsängste potentieller Interessenten hielten teils über Jahre. Platow: „Da sind wir oft gegen dicke Wände gerannt.“
Doch vereinzelt bröckelten die Mauern. Mit drei Konzernen – Continentale, Schweizerische Rentenanstalt, Mannheimer AG – wurden spezielle Versicherungspakete geschnürt und ein Teil der eingezahlten Gelder in ökologische Investmentfonds angelegt. Aktuelles Angebot ist eine Unfallversicherung für nichtmotorisierte Verkehrsteilnehmer, Motto: „FahrradfahrerInnen haben keinen Airbag“. In einer AG (Versikos Stammkapital: 500.000 Mark, zudem als einzige der 3.500 Aktiengesellschaften Deutschlands mit einem weiblich dominierten Aufsichtsrat) ist vieles leichter organisierbar als bei einer GmbH. Das Geschäft lasse sich, so Platow, transparenter darstellen, und es gebe eine größere Rücklagensicherheit. Branchenintern kommt das Image hinzu: „Unser politischer Wert ist bei potentiellen Lieferanten von Finanzdienstleistungen sofort auffallend gestiegen. Was wir nur durch den Titel AG an Zulauf und Post bekommen haben, ist schon erstaunlich.“
Auch die Aktiengesellschaft Versiko bleibt als selbstverwalteter Betrieb im Besitz der Mitarbeiter. Aber bald nicht mehr ganz: Ab Dezember können die Kunden bis zu 1.000 Aktien à 5 Mark erwerben. Bernd Müllender
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