: Das Berliner Kapital arbeitet nicht
Unternehmen im Besitz des Landes Berlin kosten viel und bringen wenig ein / Der Verkauf von Wohnungen, Bädern, Immobilien soll Haushalt entlasten / Kritiker vermissen ein Konzept, welcher Besitz noch gebraucht wird ■ Von Hannes Koch
Der Senat pflegt viele Groschengräber. Die Messe Berlin GmbH ist eines der größten. Denn obwohl die landeseigenen Firmen eigentlich den Reichtum Berlins mehren sollen, ist die Messe davon weit entfernt. 1995 kostet sie die SteuerzahlerInnen 244 Millionen Mark. Sie ist kein Einzelfall: Grundsätzlich kann von einem sinnvollen Umgang des Landes mit seinem Kapitalbesitz keine Rede sein.
Wie rund 100 andere Unternehmen auch gehört die Ausstellungs- Gesellschaft zum Großteil dem Land Berlin (99,7 Prozent). Allein die Betriebskosten betragen dieses Jahr 52 Millionen Mark. Steuern, Versicherungen und Investitionen für neue Gebäude schlagen mit weiteren 240 Millionen zu Buche. Und bis zum Jahr 2000 hat Wirtschaftssenator Norbert Meisner (SPD) zwei Milliarden Mark für neue Hallen unter dem Funkturm eingeplant.
Während in Frankfurt am Main der grüne Stadtkämmerer Tom Koenigs dieses Jahr erstmals eine Gewinnausschüttung von seiner Messe-Gesellschaft kassieren will, ist unter Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) daran nicht zu denken. Auch die Möglichkeit, zur Haushaltsentlastung einen Teil des vom Land gehaltenen Kapitals an die Wirtschaft zu verkaufen, der die Investitionen zugute kommen, wurde bisher nicht umgesetzt.
Öffentliche Anteile von mindestens vier Milliarden Mark stecken in den Berliner Unternehmen (siehe Kasten). Doch erhebliche Summen liegen ohne Verzinsung brach. „Meines Wissens haben wir noch nie Geld an den Senat abgeführt“, meint etwa Herbert Kreis, Vorstandsmitglied der Berliner Hafen- und Lagerhausbetriebe. Und der Landesrechnungshof kritisierte, daß aus den Milliardenumsätzen der in der Bankgesellschaft Berlin zusammengeschlossenen Kreditinstitute, wenn überhaupt, nur recht spärliche Beträge dem öffentlichen Haushalt zuflossen. 1995 sollen die Banken immerhin 125 Millionen an den Senat ausschütten. Ansonsten sind nur noch zwei Posten erwähnenswert: Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften und der Energieversorger Bewag spendieren jeweils 40 Millionen. Bei nahezu allen anderen Unternehmen: Fehlanzeige, auch deshalb, weil der Finanzsenator zuwenig Zahlungsdruck machte. Bei den Unternehmen verkümmerte das Interesse, Gewinne zu machen.
Doch mittlerweile gähnt das Haushaltsloch. Dieses Jahr fehlen über das geplante Defizit hinaus noch knapp drei Milliarden, und 1996 könnte sich der Fehlbetrag auf vier Milliarden Mark auswachsen. Die Haushaltspolitiker suchen nach schnellen Lösungen. Die Debatte um den Verkauf von Kapitalbeteiligungen ist in vollem Gange.
Daß Verkäufe notwendig sind, wird in keiner Partei des Abgeordnetenhauses angezweifelt. Doch Streit gibt es über die einzelnen Stücke des Tafelsilbers, die in bare Münze umgewandelt werden sollen. „Zwei bis drei Objekte könnten etwas einbringen“, meint Volker Liepelt, Geschäftsführer der CDU-Fraktion. Der Finanzsenator plädiert gegen den Widerstand der SPD für den Verkauf von 25 Prozent der bisherigen 50,8 Prozent Landesanteile an der Bewag. Seine Rechnung: Die erhofften 1,1 Milliarden sollen das Loch im Haushalt stopfen. Dabei liegt der Verlust an Bewag-Dividende mit 16,5 Millionen Mark im Jahr bei einem Verkauf weitaus niedriger als die Zinsersparnis von etwa 60 Millionen, die das Land durch die teilweise Tilgung der Schulden genießen würde.
Umstritten ist daneben auch die Veräußerung von Anteilen der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, die Zehntausenden BerlinerInnen bezahlbare Mieten garantieren. Während die CDU hier die Möglichkeit sieht, einige Millionen einzunehmen, kommt von SPD und dem Bündnis 90/Die Grünen scharfer Widerspruch. Diese befürchten vor allem, daß die neuen privaten Anteilseigner später die Mieten über Gebühr erhöhen. Die grüne Finanzexpertin Michaele Schreyer stimmt höchstens dem Verkauf von Häusern an die Mieter selbst zu. Damit jedoch tendiert der finanzielle Nutzen gegen Null. Die mit der Veräußerung einzelner Gebäude erzielbaren Erlöse sind im Vergleich zum klaffenden Haushaltsloch allenfalls Tropfen auf dem heißen Stein. Einigkeit besteht zwischen Finanzsenator Pieroth und den Grünen nur darüber, daß die landeseigene Wohnungsgesellschaft Arwobau, die 12.600 Wohnungen zumeist für wohlhabende Fach- und Führungskräfte zur Verfügung stellt, privatisiert werden könnte.
Anderswo sind die Positionen weniger festgefahren. „Beim Verkauf von Wohnungen kommt es vor allem auf die Vertragsbedingungen an“, erklärt Rainer Vollweiter, Sprecher von Frankfurts Kämmerer Koenigs. So stand die Main-Metropole kurz davor, 50 Prozent einer Wohnungsbaugesellschaft zu veräußern. Vereinbarungen über Mietsteigerungen und kommunale Belegungsrechte sollten Bestandteile des Vertrages sein, der aber schließlich wegen Uneinigkeit über den Kaufpreis nicht abgeschlossen wurde.
Ein weiterer Privatisierungskonflikt steht den rot-schwarzen Koalitionären beim Sport- und Erholungszentrum Friedrichshain ins Haus. Im Sommer erst scheiterte der Versuch, die Badeanstalt zu verkaufen – nicht zuletzt an der SPD. Jetzt läßt CDU-Politiker Liepelt nicht locker: „Wir müssen da wieder ran.“ Zündstoff bergen auch Ferienheime in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern sowie andere Immobilien in Landesbesitz, die die CDU möglichst schnell unter den Hammer bringen will. Die bündnisgrüne Finanzexpertin Schreyer hält dagegen, daß bislang kein Konzept existiere, welche Immobilien noch gebraucht werden und welche nicht. Der Senat betreibe eine Finanzpolitik des kurzen Atems.
Unrentables Wirtschaften einerseits, hektische Verkäufe auf der anderen Seite: Dabei bietet der Beteiligungsbericht des Finanzsenators genug Anhaltspunkte, wo finanzielle Reserven verflüssigt werden könnten. So hält das Land einen mindestens sechs Millionen Mark schweren Anteil einer BC Berlin Consult GmbH, die sich mit dem Bau von Industrieanlagen beschäftigt – eine Altlast aus Mauerzeiten. Und die Königliche Porzellan-Manufaktur mit einem Stammkapital von 20 Millionen besitzt Berlin zu 100 Prozent. Gehört es zu den vordringlichsten Aufgaben eines Bundeslandes, Teller, Tassen und Vasen herzustellen?
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