: Weniger Tote und Verletzte an der Schnittstelle
■ Arbeitsschutztagung über den Hafen: Mehr Prävention und mehr Produktivität
„Eine Vernachlässigung des Arbeitnehmerschutzes ist viel teurer als wirksamer Arbeitsschutz“: Diese These vertrat gestern Hamburgs Arbeits-, Sozial- und Gesundheitssenatorin Helgrit Fischer-Menzel zum Auftakt der Fachtagung „Sicherheit beim intermodalen Transport und Verkehr – Schnittstelle Hafen“. 120 Fachleute aus Hafenbetrieben sowie Arbeitsschutz-Experten beraten drei Tage lang über eine Arbeitsschutzoffensive für den Hamburger Hafen.
Mit 68 Millionen Tonnen Umschlag hat sich dieser nach Auffassung von Fischer-Menzel vom „Universalhafen“ zu einem „logistischen Zentrum“ entwickelt: „Der Hafen verzeichnet hohe Zuwachsraten im Containerumschlag.“ 90 Prozent der Warenströme werden inzwischen per Container abgewickelt. Die Kehrseite: „Leider verzeichnen wir im Hafen aber immer noch einen überdurchschnittlichen Anteil an tödlichen Unfällen“, so die Senatorin. Die Todesrate sei doppelt so hoch wie in der übrigen gewerblichen Wirtschaft. 1994 kamen sechs Arbeiter bei Arbeitsunfällen ums Leben, in diesem Jahr starben bislang drei. Die Senatorin: „Zu Unfällen kommt es dort, wo unter erheblichem Zeitdruck auf engem Raum gearbeitet wird und gleichzeitig Maschinen eingesetzt werden.“ So seien an vier der sechs tödlichen Unfälle „Van Carrier“ ursächlich beteiligt gewesen.
Daher ist das Amt für Arbeitsschutz (AfA) in der Gesundheitsbehörde dazu übergegangen, nicht nur Arbeitsbedingungen zu kontrollieren, sondern den Schwerpunkt auf die Prävention zu legen. Studien belegen, daß effizienter Arbeitnehmerschutz Kosten spare und zugleich zur Humanisierung der Arbeitswelt ebenso wie zur höheren Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten beitrage. „Arbeitnehmerschutz, Wirtschaftlichkeit und Standortsicherung gehören zusammen“, so Fischer-Menzel.
Eine Erhebung der amtlichen Arbeitsschützer hat ergeben, daß 1994 wegen Krankheiten ein Produktionsausfall von 90 Milliarden Mark entstanden ist. 60 Milliarden Mark mußten die Unternehmen an Lohnfortzahlungen aufbringen, Frühverrentung infolge verminderter Erwerbsfähigkeit kosteten die Volkswirtschaft 410 Milliarden Mark. Fischer-Menzel: „Dabei kosten 85 Prozent der Arbeitsschutzmaßnahmen weniger als 1000 Mark.“ Hamburg fordert deshalb von der Bundesregierung, den „modernen Arbeitsschutz“ und den „Präventionsgedanken“ in einem neuen „Arbeitsschutzgesetz“ festzuschreiben – so ein Regelwerk sei „Voraussetzung für eine effektive Überwachung des Arbeitsschutzes in den Betrieben“.
„Der Präventionsgedanke wird in den Betrieben aufgenommen“, so Hamburgs AfA-Chef Matthias Frommann. Dennoch werde von immer weniger Leuten mehr Produtivität verlangt: „Die letzten beiden tödlichen Unfälle passierten, weil zu wenig Leute eingesetzt waren.“ Die Wirtschaft indes möchte Fischer-Menzel nicht behindern: „Man kann das ,Mehr an Produktivität' nicht aufhalten.“ Kai von Appen
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