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Der „Coup“ mit der Künstlerkolonie

Der Verkauf von 700 Wohnungen in Wilmersdorf an die Veba stößt in der SPD-Fraktion auf Kritik. Bausenator Nagel, der dem Deal zugestimmt hat, muß nun Rede und Antwort stehen  ■ Von Uwe Rada

Es war eine Nacht-und-Nebel- Aktion. Am Donnerstag vor zwei Wochen fanden die Mieter der Wilmersdorfer Künstlerkolonie einen Zettel im Briefkasten. Die 696 Wohnungen am Breitenbachplatz – so mußten die Mieter mit Schrecken zu Kenntnis nehmen – sollten zum 31. Dezember an den Bochumer Veba-Konzern verscherbelt werden: zum Schnäppchenpreis von 1.300 Mark pro Quadratmeter und ohne Rücksicht auf einen Beschluß des Senats, wonach zum Verkauf stehende Wohnungen vorrangig an Mieter veräußert werden sollen.

Wie im Ostteil sollen auch in Westberlin 15 Prozent des Bestandes städtischer Wohnungsbaugesellschaften sukzessive privatisiert werden. Dieser Vorgabe habe die SPD-Fraktion, wie die Abgeordnete Irana Rusta gestern erklärte, nur unter der Bedingung zugestimmt, daß die Wohnungen zuerst den Mietern zum Verkauf angeboten werden. Dieser Vorgabe habe sich dann auch der Senat angeschlossen, meinte Rusta. Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) bestätigte gestern den Beschluß, wollte sich genauer aber nicht äußern. „Man kann einen Senatsbeschluß ja nicht mit der Polizei durchsetzen, nur immer wieder darauf hinweisen, ihn einzuhalten“, versuchte sein Sprecher Schlichting zu beschwichtigen.

Beim Verkauf der Künstlerkolonie hat niemand auf diesen Beschluß hingewiesen. Im Gegenteil. Das Votum, vorrangig an die Mieter zu verkaufen, wurde kurzerhand außer Kraft gesetzt. Sowohl der Staatssekretär bei Finanzsenator Elmar Pieroth, Werner Heubaum, als auch der CDU-Abgeordnete Heinz Viktor Simon haben in ihrer Funktion als Aufsichtsrat respektive Vorstandsvorsitzender der Gehag, den Senatsbeschluß gründlich mißachtet. Aber auch SPD-Bausenator Wolfgang Nagel, der in Sachen Künstlerkolonie in letzter Woche auf Tauchstation gegangen war, war offenbar am Deal gegen die Mieter beteiligt. Darauf hat gestern der CDU-Abgeordnete Simon hingewiesen. Laut Simon hat Bausenator Nagels die den Verkauf betreffende Vorlage des Aufsichtsrats vorgelegen: „Da hat es keinen Dissens gegeben.“

Die SPD-Fraktion, die das Thema Künstlerkolonie auf die Tagesordnung der heutigen Fraktionssitzung gesetzt hat, hat Bausenator Nagel bereits aufgefordert, zum dem umstrittenen Verkauf Stellung zu beziehen. „Wenn Nagel keine gewichtigen Gründe vorweisen kann“, sagte die SPD-Abgeordnete Rusta, „ist das ein Verstoß gegen die eigenen Beschlüsse.“ In diesem Fall, so Rusta, könne die Fraktion den Senator nicht nur rügen, sondern müsse sich auch fragen, ob man Nagel weiterhin mit politischer Verantwortung beauftrage. Ähnlich verärgert zeigte sich die SPD-Abgeordnete Gerlinde Schermer. Sie will auf der heutigen Fraktionssitzung klären lassen, ob der Kaufvertrag zwischen der Gehag und der Veba überhaupt gültig sei. Schließlich wurde der Vertrag ohne Zustimmung des Abgeordnetenhauses unterschrieben. Sollten sich Rusta und Schermer in der Fraktion durchsetzen, droht dem Senat vor den Koalitionsverhandlungen nicht nur ein handfester Krach, sondern möglicherweise auch eine handfeste Abstimmungsniederlage. Die wohnungspolitischen Sprecher der Grünen und der PDS, Elisabeth Ziemer und Bernd Holtfreter, haben die Rechtmäßigkeit des Verkaufs ebenfalls in Frage gestellt und wollen den Beschluß im Parlament rückgängig machen.

Die wütenden Proteste der Mieter und Mieterinnen halten unterdessen an. Zwar dementieren sowohl Gehag-Sprecher Henrik Tabaczynski als auch CDU-Mann Simon Gerüchte über einen möglichen Verkauf von Gehag-Anteilen an die Veba. Bei Bausenator Nagel gilt auch hier wieder einmal die Devise: Verkauf von Wohnungen ja, aber kein Verkauf von Anteilen städtischer Gesellschaften. Es fragt sich nur, wie lange noch. Die CDU läßt nämlich keinen Zweifel daran, daß auch der Verkauf von Anteilen zur Haushaltssanierung unausweichlich sei.

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