■ Bosnische Serben gegen Friedensvertrag: Karadžić will nicht alleine büßen
Sollte die internationale Gemeinschaft versuchen, die Bestimmungen des Dayton-Abkommens bezüglich Sarajevos umzusetzen, will Radovan Karadžić die bosnische Hauptstadt zum „Beirut in Europa“ machen. Jeder Versuch, ihn oder andere bosnische Serben wegen Kriegsverbrechen festzunehmen, werde „mit einem Gemetzel enden“.
Sind die jüngsten Sprüche des Psychiaters und Dichters serbischer Heldenepen ernst zu nehmen oder nur letzte Zuckungen eines Kriegsverbrechers, der ahnt, daß seine Stunde nun endlich geschlagen hat? Beides. Seit seine Freischärler Anfang April 1992 mit massiver Unterstützung des Regimes in Belgrad die Angriffen auf Sarajevo begannen, hat Karadžić mit derartigen Drohungen die internationale Gemeinschaft immer wieder erfolgreich zu Konzessionen nötigen können. Doch selbst sein verblendetes Hirn weiß, daß diese Strategie jetzt nicht mehr funktionieren wird. Denn auf die von ihm lautstark geforderte „Neuverhandlung“ der Sarajevo-Bestimmungen werden sich die US-Unterhändler unter keinen Umständen einlassen.
In erster Linie zielen Karadžićs Äußerungen darauf ab, im US-Kongreß und in der amerikanischen Öffentlichkeit den Widerstand gegen eine Beteiligung von US-Soldaten an der multinationalen Truppe zur Durchsetzung des Abkommens zu verstärken. Ohne amerikanische Beteiligung kommt diese Truppe nicht zustande; das Abkommen wäre gescheitert, noch bevor seine Umsetzung überhaupt begonnen hätte. Es ist nicht völlig auszuschließen, daß dieses Kalkül Karadžićs aufgeht. Denn obwohl die Unterstützung für Karadžić unter den bosnischen Serben zurückgeht, ist das Potential für Sabotageakte und Angriffe auf amerikanische Soldaten zweifellos vorhanden. Das weiß man auch in Washington.
Zum zweiten versucht Karadžić seinen eigenen Kopf zu retten und nicht – möglicherweise als einziger unter den führenden Serben (bzw. gemeinsam mit seinem General Ratko Mladić) – vor dem Internationalen Tribunal in Den Haag für Kriegsverbrechen zur Verantwortung gezogen zu werden. Daran zunehmend interessiert ist Serbiens Präsident Milošević, der jetzt auch durch Aussagen aus dem eigenen Land als Hauptdrahtzieher der Kriegsverbrechen belastet wird. Milošević steht allerdings vor einem Dilemma. Er muß damit rechnen, daß Karadžić (und Mladić) ihn vor dem Tribunal belasten. Nicht auszuschließen ist unter diesen Umständen, daß Karadžić (und Mladić) demnächst bei einem Verkehrsunfall oder Hubschrauberabsturz ums Leben kommen. Andreas Zumach, Genf
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