: Eine Bewegung mit vielen Gesichtern
■ Wie geht die arabische Welt mit den Islamisten um? Teils sind sie verboten, teils sitzen sie im Parlament und in einigen Staaten auch in der Regierung
In der arabischen Welt stellt sich seit den achtziger Jahren die immer gleiche Frage: Soll man die Islamisten ins politische System integrieren oder unterdrücken? Das Musterbeispiel für eine gescheiterte Integration waren die algerischen Wahlen 1992, bei der die islamistische FIS-Partei eine Mehrheit gewann, um anschließend durch einen Militärputsch ihres Sieges beraubt zu werden. Das Land lebt seitdem in einem blutigen Bürgerkrieg.
In Jordanien sitzen die Islamisten im Parlament. Bei den letzten Wahlen mußten sie, die sich nun auch in pragmatischer Politik zu beweisen hatten, starke Verluste hinnehmen. Im Jemen sind die Islamisten als der mehr oder weniger brave Juniorpartner der konservativen Volkskongreß-Partei an der Regierung beteiligt. In Tunesien sind sie verboten, im Sudan an der Macht. In den palästinensischen Autonomen Gebieten debattierten sie darüber, ob sie an den Wahlen im Januar teilnehmen sollen. Die Hamas-Bewegung hat sich dafür entschieden, während Dschihad Al-Islami die Wahlen boykottiert.
In Algerien herrscht seit den letzten Präsidentschaftswahlen vor zwei Wochen eine ähnliche Situation. Mahfud Nahnah, der moderate zu den Wahlen angetretene Islamist, bekam ein Viertel der Wählerstimmen. Die größte islamistische Organisation FIS dagegen hatte die Wahlen boykottiert. Nach den Wahlen scheint sich die FIS aber nun gespalten zu haben zwischen denen, die Friedensgespräche mit Präsident Zeroual befürworten, und denjenigen, die jeden Dialog weiterhin ablehnen.
Die ägyptische Regierung führte seit den Parlamentswahlen 1984 einen Eiertanz zwischen Integration und Ausschluß der Islamisten auf. Nach der Erfahrung des algerischen Szenarios versucht die Regierung in Kairo ihre islamistischen Opponenten mit allen Mitteln klein zu halten, ohne sie vollkommen zu verbieten. Als Partei sind sie verboten. In vielen der Berufsverbände haben sie allerdings ganz offiziell die Mehrheit erlangt. Die letzten Parlamentswahlen hatten die Muslimbrüder boykottiert. Morgen treten sie mit der zweitgrößten Zahl an Kandidaten nach der Regierungspartei an, nicht als Partei, sondern als Unabhängige.
Zu Beginn des Wahljahres begann die Regierung eine Verhaftungskampagne gegen die Muslimbrüder. Über achtzig von ihnen wurden vor Militärgerichte gestellt. Mehr als die Hälfte davon ist inzwischen zu Zuchthausstrafen zwischen fünf und drei Jahren verurteilt. Seit Monaten versucht die Regierung eine Verbindung zwischen Muslimbrüdern und militanten Islamisten nachzuweisen, bisher allerdings mit mäßigem Erfolg.
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