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Point 'n' ClickDer kleine Entwicklungshelfer

■ Ökologische Herausforderung: In dem Spiel „SimIsle“ muß jeder Rückfall in blanke Profitgier teuer bezahlt werden

Die Sim-Reihe der kalifornischen Softwarefirma Maxis ist – laut Eigenwerbung – „mit über fünf Millionen verkauften Exemplaren die erfolgreichste Simulationsspiel-Serie der Welt“. Egal ob man einen Bauernhof („SimFarm“) oder einen Wolkenkratzer („SimTower“), einen Ameisenstaat („SimAnt“) oder einen kompletten Planeten samt Evolution („SimEarth“; „SimLife“) managen will – den kommerziellen Erfolg hat Maxis mit lauter Spielen eingefahren, die, obgleich von hohem Unterhaltungswert, teilweise sogar wissenschaftlichen Ansprüchen genügen dürften.

Den Löwenanteil am Sim-Profit kann allerdings ein Programm für sich allein verbuchen: „SimCity“, der elektronische Städtebaukasten, mit dem 1989 die Maxis-Kollektion der „Software Toys“ eröffnet wurde. Im letzten Jahr als spielerisch und technisch rundumerneuertes „SimCity 2000“ wiederaufgelegt, müssen sich seither alle Aufbauspiele an diesem Genre-Klassiker messen lassen. Die Referenzlatte ist ziemlich hoch gelegt, besticht doch das Programm, in dem man eine florierende Metropole aus dem Nichts – sprich auf planem Zufallsterrain – hochzieht, durch ein trotz aller Komplexität leicht zugängliches Spielkonzept. Solange die Steuereinnahmen fließen, kann der Sim-Bürgermeister seiner Bauwut freien Lauf lassen – bis ihn durch Fehlplanungen und Gigantomanie selbsterzeugten Strukturprobleme in Form von Umweltverschmutzung, grassierender Arbeitslosigkeit oder Verslummung ganzer Stadtviertel wieder auf den Boden der digitalen Tatsachen holen.

Maxis' neuestes Produkt, „SimIsle“, denkt die alle Sim-Programme kennzeichnende „Dynamik der Zusammenhänge“ konsequent weiter – insbesondere den Konflikt zwischen ökonomischer Entwicklung und ökologischen Folgekosten. Der Untertitel des vom englischen Programmiererteam Intelligent Games entwickelten Spiels, „Missions In The Rainforest“, deutet schon an, daß es sich bei „SimIsle“ keineswegs um ein in „exotische“ Urlaubsgefilde transportiertes „SimCity“ handelt: Das vom Computer generierte Terrain ist von vornherein mit dem hochkomplexen und – wie man weiß – durch kommerzielle Interessen extrem gefährdeten Ökosystem Regenwald bedeckt. Jeder Eingriff in die Inselwelt kann diese nur stören. Am Anfang steht quasi die ökologische Utopie – das sind neue Töne für ein Genre, in dem prinzipiell davon ausgegangen wird, daß Aufbau, Entwicklung, kurzum Fortschritt etwas Positives sei. „SimIsle“ sieht das etwas pessimistischer: „,Fortschritt‘ schien lange Zeit eine gute Sache zu sein, eine Verbesserung der Lebensbedingungen. Heute glaubt man eher, daß die Idee und die Entwicklung des Fortschritts das Gegenteil erreichen: Zerstörung der Arten, Landschaftszerstörung, kulturelle Entwurzelung.“

In „SimIsle“ ist nicht alles Machbare auch unbedingt wünschenswert. Die Crux des Spiels besteht darin, daß man sich beim Errichten jedes Kraftwerks, jeder Fabrik zweimal die Frage stellen muß, ob diese Baumaßnahme wirklich nötig ist, und ob sie nicht das empfindliche ökologische Gleichgewicht des Regenwalds in seinen Grundfesten erschüttern könnte. Gewinnmaximierung ist keineswegs das A und O des Spiels – vorhandene Bodenschätze können, aber müssen nicht bis zum letzten Öltropfen ausgebeutet werden. Kurbelt man den Tourismus an, muß man sich nicht unbedingt für die Variante eines alles plattwalzenden Massentourismus entscheiden. Allerdings ist auch der zunächst behutsam vorgehende Spieler nicht vor einem Rückfall in blanke Profitgier gefeit: Flugs sind alle Strände mit Bettenburgen zubetoniert, die Insel mit Fabrikschloten, Fördertürmen und Raffinerien überwuchert. Das von „SimIsle“ unterstützte „Learning by doing“-Prinzip heißt immer auch, daß man zuweilen vor sich selbst erschrickt. „SimIsle“ konfrontiert den Spieler mit 25 Missionen, die sich in den Ausgangsbedingungen und Zielvorgaben stark voneinander unterscheiden: Mal muß eine konkurrenzfähige Exportwirtschaft aufgebaut werden, mal gilt es, den Einfluß mächtiger Drogenbarone auf die einheimischen Bauern abzuwehren. Kleinere und größere Katastrophen wie Tankerunfälle oder Haifischattacken an Badestränden sorgen für Echtzeit-Hektik.

Es gibt nur ein Problem mit dem Spiel: Es ist nicht besonders einsteigerfreundlich. Zudem kommt man um ein ausführliches Studium der Anleitung nicht herum. Die im sehr informativen und umfangreichen Handbuch beschriebene Tutorial-Mission sollte man unbedingt Schritt für Schritt durcharbeiten. Im Spiel selber wird man durch die Fülle der gelieferten Hintergrundinformationen teilweise sogar erschlagen: Ein integriertes 500 Seiten starkes Hypertext-Notizbuch durchleuchtet ausführlich alle Aspekte der simulierten Welt. Jeder Klick auf ein Objekt im Terrain ruft quasi Wissen auf. „SimIsle“ ist nicht zuletzt auch eine getarnte, mit zahlreichen Videoschnipseln und gemalten Bildern illustrierte Enzyklopädie zum Thema „Ökosystem Regenwald“. Das Ganze etwas weniger komplex wäre vielleicht nicht schlecht gewesen. „SimIsle“ ähnelt teilweise verdächtig einem wissenschaftlichen Ausbildungsseminar für Entwicklungshelfer. Spieler, die einfach nur nach einer anspruchsvollen strategischen Herausforderung suchen, werden dadurch etwas abgeschreckt – schade, angesichts eines Programms, das schon im Handbuch engagiert Stellung bezieht: „Jede Sekunde werden zwei Hektar Regenwald in der Größe von zwei US-Fußballfeldern ruiniert ... Wenn die Abholzung in diesem Ausmaß weitergeht, so die Wissenschaftler, werden die tropischen Regenwälder im Jahr 2030 fast völlig zerstört sein.“ Ulrich Hölzer

SimIsle (Intelligent Games/Maxis). PC CD-ROM ab 486er/33 MHz mit 8 MB Ram (SVGA- Karte). Preis: ca. 120 DM (getestete Version komplett englischsprachig!)

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