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Per Sample zum Erfolg

Von der Absurdität der „Weltmusik“ und ihren musikalischen Fallen – bei den Jüdischen Kulturtagen tritt die israelische Sängerin Ofra Haza auf  ■ Von Daniel Bax

Rund zehn Jahre ist es her, da sampelten irgendwo in Amerika die HipHopper Eric B and Rakim eine merkwürdige Melodie zu ihrem Rap „Paid in Full“ – eine seltsam entrückte Stimme, die etwas Orientalisch-Unverständliches sang. Das kurze Vokalstück war einer Importplatte entnommen, die „Yemenite Songs“ hieß und von einer bis dahin weithin unbekannten israelischen Sängerin stammte. Das kurze Sample kam so gut an, daß bald darauf andere Gruppen die Idee kopierten und die gleiche Passage übernahmen: Etwa die britische Band M/A/R/S/S, die mit ihrem Stück „Pump up the Volume“ wochenlang die Dance- Charts dominierte.

Die israelische Sängerin aber wurde in kürzester Zeit zu einer der meistgesampelten Musikerinnen der Welt. Die Sängerin des Stücks hieß Ofra Haza, und sie wollte es nicht bei diesem überraschenden, aber zweifelhaften Erfolg belassen. Sie produzierte kurzerhand eine tanzflächentaugliche Version des jemenitischen Volksliedes, dessen Intro soviel Anklang gefunden hatte, und landete damit selbst einen weltweiten Hit: „Im nin 'Alu“. Ein entsprechend poppig produziertes Album folgte, und ein Trend war geboren: Weltmusik.

Mit diesem Label wurden ab diesem Zeitpunkt alle Interpreten belegt, die unvertraute Klänge in die bis dahin weitgehend englischsprachige, westlich monopolisierte Musikwelt brachten: Mory Kante, Cheb Khaled, Gypsy Kings. Natürlich war diese „Weltmusik“ von Anfang an eine fragwürdige Kategorie: denn was bloß ein brauchbares Etikett für die Vermarktung von Exotik sein sollte, erwies sich bei näherer Betrachtung als platter Ethnozentrismus.

Die voreilige Verbannung ins „Weltmusik“-Ghetto hatte durchaus etwas Diskriminierendes an sich. Schließlich sind alle Musikstile von dieser Welt. Daß eigentlich der „Rest dieser Welt“ (nämlich der westlichen) gemeint war, machte die Sache auch nicht besser.

Fürs Marketing war diese Strategie zweifellos nützlich. Problematisch ist insofern weniger die verkaufsfördernde Kategorie „Weltmusik“, sondern ihre Rezeption als solche. Denn dahinter steckt eine merkwürdig unhistorische Sicht auf musikalische Entwicklungen: Schließlich sind Reggae, Dub und HipHop zum Beispiel auch nichts anderes als kulturelle Kreuzungen unterschiedlicher Musikarten. Um ein solches Crossover handelt es sich natürlich auch meist bei den erfolgreichen kommerziellen Weltmusik-Acts: Verbindungen aus Funk, Pop und heimischen Traditionen. So auch bei Ofra Haza.

Vor ihrem internationalen Durchbruch war sie in Israel bereits ein Star, allerdings mehr im Schlagerbereich. Mehr als zwanzig Platten hatte sie bis dahin bereits veröffentlicht, und beim Grand Prix d'Eurovision gewann sie 1983 in München einen zweiten Platz. Den Karrierwendepunkt brachte ihr eine Platte mit einfachen jemenitischen Volksliedern: eine Hommage an ihre Eltern, die in den dreißiger Jahren aus dem Jemen nach Israel kamen, und eine Widmung an die Minderheit der orientalischen Juden, deren Kultur sie sich zugehörig fühlt.

„Yemenite Songs“ ist eine schlichte und eindrucksvolle Adaption atmosphärischer Gesangsstücke. Wahrscheinlich hätte das Album nur in Fachkreisen Anerkennung gefunden, wären nicht auf der anderen Seite des Atlantiks Songtüftler auf der Suche nach innovativen Klangideen gewesen.

Mit der Pop-Produktion „Shaday“ und ihren Singles „Im nin 'Alu“ und „Galbi“ setzte sich Ofra Haza dann 1988 allerorten an die Spitze der Charts. Mit ihren folgenden Alben konnte sie diesen Erfolg jedoch nicht wiederholen. Zu sehr bemühte sie sich, gleichzeitig gefällig und doch irgendwie exotisch zu klingen. Stücke wie „Mata Hari“ oder „Fata Morgana“ bewegten sich hart an der Grenze zum Ethnokitsch.

Sicher läßt schon die kleinste Form der Popularisierung traditioneller Kultur dem Puristen die Nackenhaare sträuben – sei's drum. Da die Moderne mittlerweile auch die entferntesten Ecken der Welt erreicht hat, lassen sich solche Entwicklungen nicht vermeiden, und sie sind auch nicht bedauerlich. Bedauerlich ist eine Anbiederung an den „Westen“ nur da, wo sie eigentlich unnötig ist, wie bei Ofra Haza. Mehr Vertrauen in ihre Stimme und ihre kompositorischen Fähigkeiten hätte ihr bestimmt die Anerkennung erhalten, die sie verdient.

Statt dessen ist sie unbemerkt in der Versenkung verschwunden. Ihre letzte Plattenfirma ließ sie gar trotz neuen Albums sang- und klanglos fallen, ihr aktuelles Werk, „Queen in Exile“, ist hierzulande darum momentan gar nicht zu haben.

Der Boom der „Weltmusik“ hat mit Sicherheit den europäischen Blick auf entlegene Ecken des Globus gelenkt und ihn auch geschärft für die Unterschiedlichkeit dessen, was dort vorzufinden ist: Rai, Banghra, Afro-Pop.

Durch den Terminus „Weltmusik“ eingeführt, konnten sich viele unbekannte Künstler überhaupt erst etablieren. Der Fall Ofra Haza verdeutlicht aber auch beispielhaft das Dilemma der Weltmusik: Paßt sie sich zu sehr den Erwartungen eines westlichen Publikums an, dann droht sie in den Mainstream abzugleiten, wird langweilig und berechenbar. Beharrt sie hingegen auf Authentizität, findet sie weniger Aufmerksamkeit. Eine schwierige Aufgabe. Bei ihrem Auftritt in Berlin, im Rahmen der Jüdischen Kulturtage, wird sich Ofra Haza wohl wieder stärker ihren musikalischen Wurzeln widmen.

Morgen, 20 Uhr, Hebbel-Theater, Stresemannstraße 29, Kreuzberg

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