: Jedes Fenster ist eine kleine Sondermülldeponie
■ Dem Umweltgift PVC ist mit Öko-Argumenten schwer beizukommen, solange Holzrahmen mit schädlichen Lacken versaut werden. Die Chlorindustrie freut sich
Kaum ein Stoff ist so gefährlich und dennoch so alltäglich wie PVC. Ohne hochgiftige Zwischenprodukte ist die Herstellung von Polyvinylchlorid gar nicht möglich. Und bei der Verbrennung, auch bei einem Hausbrand, kann das krebserzeugende sogenannte Seveso-Dioxin entstehen. Doch obwohl immer wieder auf die Gefahren hingewiesen wird, verlieren die Hersteller von Holzfenstern noch immer Marktanteile. Damit verschwinden auch beständig Arbeitsplätze, da die Herstellung von Holzfenstern arbeitsintensiver ist.
65 Prozent aller neuen Fenster waren in den siebziger Jahren noch aus Holz, den Rest teilten sich vor allem die Materialien Aluminium und PVC. Mittlerweile besteht knapp die Hälfte der jährlich rund 23 Millionen Neufenster aus PVC. Das hat drei zentrale Gründe: Zum einen sind Fenster aus PVC erheblich billiger als die aus Holz, was für Bauherren ein oftmals alle Bedenken überwiegendes Argument ist. Zum zweiten müssen Holzfenster stärker gepflegt werden, was zusätzliche Kosten verursacht. Und drittens gibt es kaum gesetzliche Vorgaben oder gar PVC-Verbote.
Kommunalpolitiker könnten solche zwar für ihre Gemeinden und Städte festlegen, doch wollen sie es sich üblicherweise nicht mit der lokalen Baulobby verscherzen. Und die verweist gern darauf, daß die ökologische Überlegenheit von Holzfenstern nicht bewiesen sei.
Das ist zwar falsch, denn beispielsweise die Eidgenössische Materialprüfungsanstalt aus der Schweiz kam zu dem Ergebnis, daß Holzfenster „das günstigste Ökoprofil“ aufweisen. Richtig ist aber – und das macht es der Chlorindustrie und den Bauunternehmern leicht –, daß der Vorsprung denkbar knapp ist. Das liegt keineswegs an irgendwelchen Vorzügen des Kunststoffs, auch nicht an grundsätzlichen Bedenken gegen Holz als Baustoff. Das Problem ist schlicht, daß Holzfenster üblicherweise mit umweltschädlichen Lacken behandelt werden. Die Folge: Ausgediente Fenster werden zu Sondermüll.
Genau dieses Problem nutzt die PVC-Industrie, die mit ungeheurem Aufwand ein durchaus vorzeigbares Recyclingsystem aus dem Boden gestampft hat: Aus Fenstern werden Fenster, zumindest ein paarmal. Damit wird die Nutzungsdauer verlängert, wenngleich so weder die Probleme der Herstellung noch die der Entsorgung gelöst werden. Doch das Recyclingsystem wird von Werbekampagnen und Lobbyarbeit begleitet, die ihresgleichen suchen. Die Koordination ist verhältnismäßig leicht, denn die deutschen Chemiegiganten sind die maßgeblichen Hersteller von PVC, allen voran Bayer und Hoechst. Zwei Milliarden Mark Jahresumsatz allein für PVC-Fenster fließen in nur wenige Taschen.
Anders bei den Holzfenstern, die von rund 23.000 meist kleinen und mittelständischen Unternehmen hergestellt werden. Zwar sind 166 von ihnen in der „Initiative Pro Holzfenster“ zusammengeschlossen, doch deren Erfolge sind bislang mäßig. „Machen Sie mal einem Handwerker mit drei, vier Mitarbeitern klar, daß er jetzt Geld für professionelles Marketing zahlen soll“, klagt der Vorsitzende der Initiative, Norbert Appelhans. Der Prokurist der Firma Sorpetaler Fensterbau, mit 60 Mitarbeitern einer der großen Mitgliedsbetriebe, kämpft nach eigenem Bekunden „jeden Tag dafür, daß die Mitglieder für Lobbyarbeit auch ein bißchen Zeit abzwacken“.
Und politischen Gegenwind spürte die Initiative, als Greenpeace seine Kampagne gegen Tropenholz verstärkte. Viele Kunden hätten zwischen tropischen und hiesigen Hölzern nicht mehr zu unterscheiden gewußt, hat Appelhans festgestellt und bedauert: „Die Tropenholzkampagne hat viele dazu gebracht, sich für PVC- Fenster zu entscheiden.“ Dabei hat die Umweltschutzorganisation dem PVC schon vor Jahren den Kampf angesagt. Alternative kann für Greenpeace-Chemiker Manfred Krautter deshalb nur das ökologisch behandelte Holzfenster sein. Christian Arns
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