: Endgültig: Menschen schaufeln sich Klimagrab
■ UN-Wissenschaftlergremium: Briten bleiben aber wertvoller als Chinesen
Berlin (taz) – Die Wissenschaftler des UN-„Intergovermental Panel on Climate Change“ (IPCC) haben sich letzte Woche in Madrid gegen Ölstaaten, Ölkonzerne und ihre Vasallen durchgesetzt. Der nächste offizielle Klimabericht des hochangesehenen UN-Gremiums wird ein für allemal festhalten, daß die zu beobachtenden Klimaveränderungen vom Menschen verursacht sind und nicht Ergebnis natürlicher Schwankungen. In ihrem Report an die internationale Politik wird es heißen, daß „bei Abwägung aller wissenschaftlichen Erkenntnisse ein merklicher menschlicher Einfluß auf das Klima erkennbar scheint“. Saudi-Arabien und Kuwait mußten sich geschlagen geben, bis dahin hatten sie immer behauptet, die Klimakatastrophe habe noch nicht begonnen – werde es vielleicht auch nicht.
Noch ist für die Gegner des Klimaschutzes vor der formalen Verabschiedung des Berichts nächste Woche in Rom eine Hintertür offen – eine Hintertür, die bezeichnenderweise von den klassischen Ökonomen aufgebrochen wurde.
Die hatten in ihr Kapitel über die ökonomischen Folgen etwaiger Klimaveränderungen nämlich hineingeschrieben, daß das Leben eines Briten oder Deutschen 1,5 Millionen Dollar wert sei, das Leben eines Chinesen aber nur 100.000 Dollar. Die Wirtschaftswissenschaftler hatten den Wert verlorener Menschenleben nach der Theorie der Zahlungsbereitschaft ermittelt. Mit anderen Worten: Weil Chinesen zur Vermeidung tödlicher Katastrophen weniger Geld ausgeben (können), schätzen sie den Wert eines Menschenlebens nicht so hoch ein. Bei ihrer Kalkulation kamen die Ökonomen außerdem zu dem Ergebnis, daß die Kosten der Klimakatastrophe weltweit bei 1,5 bis zwei Prozent des Bruttosozialproduktes liegen würden, die Kosten für signifikante Klimapolitik aber bei über zwei Prozent. Der Verzicht auf aktive Klimapolitik käme nach dieser Kalkulation billiger.
„Vertreter aus Dritte-Welt- Staaten haben das zu Recht eine Ökonomie des Völkermords genannt“, giftet Audrey Meyers vom Global Commons Institute in London. Weil nach heftigen internen Debatten auch vielen IPCC-Wissenschaftlern bei dieser Art der Schadensberechnung unwohl war, finden sich in der Gesamtzusammenfassung des Berichts diese Zahlen nicht wieder. Statt dessen flüchtet sich die IPCC in kritische bemerkungen über den Stand der ökonomischen Wissenschaft.
Kommt es bei der entgültigen Verabschiedung des IPCC-Berichts durch die Regierungen kommende Woche in Rom zum Schwur, steht das IPCC vor einem Problem. Die Gegner des internationalen Klimaschutzes vor allem in Ölstaaten wie Saudi-Arabien und in den USA könnten in Rom argumentieren: Die Zusammenfassung für die wissenschaftlich ungebildeten Politiker stimmt an dieser Stelle nicht mit den tatsächlichen Arbeiten der Ökonomen überein. Ungewiß sei, ob dies nicht auch an anderer Stelle der Fall sei, hören Klimaschützer die Saudis schon argumentieren. Sie fürchten, daß die Kritiker der zynischen Ökonomie am Ende positive Ergebnisse blockieren, weil sie den Finger in die Wunde gelegt haben. Hermann-Josef Tenhagen
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