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Konzertierte Aktion SOS Alsterdorf

■ 70 Millionen Mark von Stadt und Kirche zur Rettung der Behinderten-Stiftung

Hamburg wird sich mit 22 Millionen Steuermark an einer konzertierten Aktion zur Rettung der „Stiftung Alsterdorf“ beteiligen, um die kirchliche Behinderteneinrichtung von ihrem 70 Millionen Mark hohen Schuldenberg zu befreien. Das bestätigte gestern Senatssprecher Klein auf Anfrage. Der Senat wird heute über die Situation in Alsterdorf beraten. Dabei geht es aber nicht nur um eine einmalige staatliche Finanzspritze von 22 Millionen Mark. Falls Hamburg diese Summe bewilligt, wollen auch die Evangelisch-Lutherische Kirche und Gläubigerbanken zweistellige Millionenbeträge zur Sanierung beisteuern, um die Stiftung von der Zinslast zur Tilgung der Kredite zu entlasten.

„Die Stiftung ist seit Jahren einer wirtschaftlich extremen Lage ausgesetzt“, bestätigte eine Stiftungsfinanz-Insiderin gegenüber der taz. Die ausgehandelten Sanierungsmaßnahmen würden zwar langsam greifen, aber, so die Expertin, „aus eigener Kraft schafft die Stiftung das nicht.“ Nach taz-Informationen soll daher die Stiftung in dieser Rettungsaktion gänzlich von dem Kredit-Ballast in Höhe von fast 70 Millionen Mark entlastet werden. Wieviel die Kirche und die Banken aufbringen werden, war gestern nicht zu erfahren. Die frohe Botschaft wollen heute Bischöfin Maria Jepsen, Gesundheitssenatorin Helgrit Fischer-Menzel sowie Vorstand, Stiftungsbeirat und Mitarbeitervertretung gemeinsam verkünden.

Die größte Behinderteneinrichtung Hamburgs mit ihren 2000 MitarbeiterInnen war 1992 ins Straucheln geraten, als öffentlich wurde, daß sich die Vorständler Managergehälter von rund 230.000 Mark spendieren wollten, obwohl der Einrichtung der Bankrott drohte. Damals hatten sich aufgrund von Mißmanagement Schulden von 38 Millionen Mark aufgetürmt, die wegen der Pflegesatzkürzungen bis Mitte 1994 auf 45 Millionen Mark angewachsen sind. Zusätzlich machte die Stiftung monatlich ein Defizit von rund 1,6 Millionen Mark.

In den vergangenen zweieinhalb Jahren baute die Stiftung zum Zweck der Kostendämpfung 230 Arbeitsplätze ab. „Das lief überwiegend durch Fluktuation“, so ein Sprecher der Mitarbeitervertretung (MAV). Lediglich bei der Stillegung der Reinigungskolonne gab es „20 betriebsdingte Kündigungen“, so der MAV-Sprecher. Durch eine Umstrukturierung der Wohngruppenleitungen in den Regionalbüros sei „50 Prozent an Personal im Mittelbau“ eingespart worden.

Als Zugeständnis für das Sanierungsprogrammm muß die Stiftung ihre Bereiche Behindertenbetreuung, Krankenhaus und Kindertagesstätten in selbstständige Wirtschaftsbetriebe aufsplitten sowie sich künftig von den Finanzgenies bei Banken und Senat in die Kassen und Bücher gucken lassen.

Kai von Appen

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