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Balance von Geben und Nehmen

■ Unentgeltliches Engagement: Gründung einer „Freiwilligen-Agentur“ gründet sich heute

„In Deutschland wird so oft über den Rückgang der traditionellen Ehrenamtsarbeit geklagt“, sagt Heinz Janning vom Sozialen Friedensdienst (SFD). „Es gibt hier keine Kultur der Freiwilligenarbeit“. Dabei zeigt ein Blick ins Ausland, wie Freiwilligenarbeit anders und für alle Beteiligten sinnvoller gestaltet werden kann. Allein in den Niederlanden gibt es 120 „Freiwilligen-Centren“, in Deutschland gebe es außer in Berlin nur in Dortmund etwas Ähnliches – und ab heute auch in Bremen.

Der Startschuß zur Eröffnung der ersten Bremer Freiwilligen-Agentur fällt heute um elf Uhr. Sie soll eine Anlaufstelle für „bürgerschaftliches und freiwilliges Engagement“ sein. Die Gründer erhoffen sich eine Zusammenarbeit mit Organisationen und Verbänden aus den Bereichen Kultur (z.B. Theatergruppen), Sport, Kirche, Umwelt und Soziales (Hospizbewegung, Aidshilfe, Hilfe für Obdachlose und Jugendarbeit). Menschen aus allen Schichten sollen inspiriert und motiviert werden, sich freiwillig und unentgeltlich für andere zu engagieren. Nicht nur die Freiwillige „klassischen Typs“, deren Engagement sich aus einer starken Bindung an eine Organisation und dem Hilfe-Aspekt speist (z.B. kirchliche Freiwillige), soll angesprochen werden. „Selbstbezug und Gemeinsinn sollen sich die Waage halten“, so Janning.

Daß auch ein Eigeninteresse besteht, darf heute offener gesagt werden als früher. Jugendliche zwischen Schule und Studium möchten sich zum Beispiel gerne in sozialen Bereichen umsehen, um eine Orientierung für die Berufswahl zu bekommen. Andere suchen Kontakte, wollen sich einmischen, Kompetenzen erwerben. Janning: „Die Balance zwischen Geben und Nehmen führe zu einer größeren Anerkennung der Freiwilligenarbeit und hilft so, das soziale Klima zu verbessern. Es hat etwas sehr Deutsches wenn bei der Diskussion um die Abschaffung der Wehrpflicht sofort wieder der Dienstpflichtgedanke hochkommt.“

Die neue Freiwilligen-Agentur will beraten, um für die richtige Person die passende Tätigkeit zu finden. Praxisbegleitung für Einzelne und Gruppen soll genauso auf ihrem Programm stehen wie Supervision für Organisationen und Projekte. Sie will Modelle und Konzepte für Freiwilligentätigkeiten mitentwickeln, aktive Öffentlichkeitsarbeit für eine Kultur der Freiwilligkeit leisten und politisch und gesellschaftlich Einfluß ausüben. Außerdem soll auf Kooperation von Verbänden und Organisationen hingearbeitet werden. Und: „Wir streben eine Vernetzung mit anderen Projekten im In- und Ausland an und wollen uns um ,Fundraising' (Spendenaufkommen) und Sponsoring kümmern“, beschreibt Heinz Janning die Ziele der frischgebackenen Agentur weiter.

Die ersten Gelder fließen aus den Rücklagen des SFD selber. Die weitere Finanzierung soll durch Spenden und Stiftungen gesichert werden, die Agentur will aber für Beratung auch bezahlt werden. In zwei bis drei Jahren soll die Freiwilligen-Agentur akzeptiert sein.

Maren Cronsnest

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