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Narva: „Der Abriß läuft“

Wegen der hohen Verseuchung durch Quecksilber wird das einstige Narva-Glühlampenwerk entkernt. Alle Decken und Fußböden werden herausgerissen. Die Fassaden bleiben stehen  ■ Von Rolf Lautenschläger

Erst gingen die Lichter aus, nun wird auch noch die Fassung herausgedreht. Vom einstigen VEB Berliner Glühlampenwerk Narva bleibt nur noch die Fassade. Das denkmalgeschützte Backsteinensemble an der Warschauer Brücke wird zum größten Teil entkernt. Decken und Böden der ehemaligen Fabrikhallen fallen der Abrißbirne zum Opfer. „Nach einer Untersuchung der Narva-Gebäude“, sagte Rainer Sommer, Projektleiter beim Investor Roland Ernst Städtebau und Projektentwicklungsgesellschaft, „wurde festgestellt, daß große Flächen mit Quecksilber kontaminiert sind.“ An eine Reinigung sei nicht zu denken, das Quecksilber wäre schon zu tief bis zur Stahlkonstruktion vorgedrungen. Sommer: „Die Decken sind nicht zu retten.“

Die Roland Ernst Städtebau, erinnerte Sommer, habe ein Gutachten in Auftrag gegeben, das ermitteln sollte, wie verseucht die Gebäude durch die jahrelange Glühlampenproduktion sind. Dabei seien unterschiedliche Kontaminationen in den Häusern festgestellt worden. Insgesamt empfahlen die Gutachter die Entkernung. „Der Abriß läuft“, so der Projektleiter. Gegenwärtig würden aus Haus 4 an der Stralauer Allee die Decken und Böden herausgebrochen. Mit der Denkmalbehörde sei verabredet, die Fassaden und Innenwände nicht anzutasten. Die Baudenkmalpfleger bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sowie der Investor ständen in engem Kontakt. Rainer Sommer: „Mit denen ist das abgestimmt.“

Es sei richtig, daß die Narva-Böden durch die Produktion der Glühbirnen „sehr stark kontaminiert wurden“, sagte der zuständige Denkmalschützer Dunger. Auch „nach Prüfung des Investor- Gutachtens“ habe sich „kein Gegenbeweis“ ergeben. Die verseuchte Bausubstanz sollte entfernt werden, wenn auch behutsam. Der Firma Roland Ernst Städtebau müsse klar sein, daß „das Gesicht“ —, die Außen- und Innenfassaden — erhalten werden müsse. Eine Zerstörung der bekannten Fabrikansicht zwischen Spree und Bahntrassen dürfe es nicht geben.

Die Denkmalpfleger indessen müssen beim Narva-Umbau vom 50.000 Quadratmeter großen VEB Glühlampenwerk zum Dienstleistungscenter mit Büros und Wohnungen auf der Hut sein. Bei der Sanierung von Haus 1 im vergangenen Jahr wären um ein Haar metallene statt hölzerne Fenster eingebaut worden. Das Hochregallager am Gebäude mit dem „Narva-Turm“ wurde bereits abgerissen, soll aber wieder aufgebaut werden.

Vor einer totalen Zerstörung der Decken und Böden warnten die Planer der Freien Planungsgruppe (FPG) Berlin, die für das frühere Narva-Werk den Bebauungsplan erstellen. Trotz der hohen Giftbelastungen im Gemäuer müsse das Ziel sein, soviel wie möglich denkmalgeschützte Bausubstanz zu erhalten. Eine Tabula rasa schade dem Ensemble.

Das Narva-Fabrikgelände, auf dem zu DDR-Zeiten noch über 2.000 Beschäftigte Glühlampen drehten, war nach dem Fall der Mauer von der Treuhandanstalt für 240 Millionen Mark an den bayerischen Bauträger Härtl verkauft worden. Nach dem Scheitern des „Narva-Modells“ durch Ausgründungen von Narva-Mitarbeiter, entwickelt nun die Roland Ernst Städtebau, eine Tochter des Baulöwen, das Gebiet.

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