Mao im Humboldthain

■ Die Ausstellung "Bunker-Berg" des Heimatmuseums Wedding zeigt die Geschichte der Flakbunker im Humboldthain. Heute üben alpine Bergsteiger an den Betonklötzen

Ein Wartesaal, die braunen Stuhlreihen von großen Stellwänden umgeben, die wiederum nichts als die Bänke eines Wartesaals zeigen. Auf Beistelltischen vereinzelte, unscheinbare Broschüren. Nur die drei Bildschirme lassen erahnen, daß dieser Raum wirklich zur Ausstellung „Bunker-Berg“ des Heimatmuseums Wedding gehört. Aber auch die dort tonlos flimmernden Bilder lassen keinen direkten Zugang zum Thema zu. Nur die abgefilmten, von einem Weddinger während des Zweiten Weltkriegs akribisch verbuchten Flugalarmzeiten erlauben eine direkte Verbindung.

„Wir haben viel Widerspruch bekommen“, beschreibt Gabi Kienzl, Mitarbeiterin des Museums die Reaktionen vor allem der älteren Besucher. „Die meinten, der Haupteindruck der Bunkersituation während des Krieges sei nicht wiedergeben. Ich glaube aber, daß dieser Wartesaal eine der bestimmenden Erfahrungen erlebbar macht.“

Eher unbeabsichtigt hatte sich die Ausstellungsvorbereitung zu einem reinen Frauenprojekt entwickelt. Das schlage sich deutlich in der Art der Präsentation nieder, meint Gabi Kienzl, die zusammen mit zwei Kolleginnen und fünf Frauen der Künstlerweiterbildungsstelle an der Hochschule der Künste die Geschichte des Bunker-Bergs erarbeitet hat. „Nach den etwa dreißig Interviews mit Zeitzeugen hatten wir Angst, die Bedürfnisse von alten und leider auch militaristischen Menschen zu befriediegen.

Schließlich waren da keine Opfer in dem Bunker, keine Juden, kein Widerstand. Das war eine priviligierte Situation, sowohl im Vergleich mit den Luftschutzkellern als auch für die Flaksoldaten, deren Einsatz nicht so riskant war wie der an der Ostfront.

So schlendern die Besucher nun durch die kargen Räume, ohne auch nur einmal auf Kanonen oder andere Waffen zu stoßen. Wer die Geschichte des Bunkers und die Geschichten der Menschen in und um ihn herum erfahren will, muß sich Zeit nehmen für die in sechs thematischen Broschüren zusammengefaßten Dokumente, die das eigentliche Herz der Ausstellung bieten. Der Kriegsalltag jugendlicher Flakhelfer und Weddinger Anwohner, die Lage der Frauen, die im Bunker Kinder zu Welt brachten, oder die Bedeutung von Lebensmittelrationen sind dort durch Zeugenaussagen, Behördenpapiere oder Werbeannoncen dargestellt. Die Aufarbeitung der Geschichte sollen sich die Besucher der Bunker-Berg-Ausstellung selbst erarbeiten.

Ein zweiter Raum stellt die Bedeutung und Wertung der auf direkten Befehl Hitlers und seines Lieblingsarchitekten Albert Speer geplanten und von der „Organisation Todt“ gebauten Bunkeranlage dar. Unter Einsatz vor allem westeuropäischer Zwangsarbeiter waren zwei Betonklötze ab 1941 in nur sechs Monaten gebaut worden. Große militärische Bedeutung hatte die ursprünglich nur für die Flugabwehr konzipierte Trutzburg nicht gewinnen können. Nur etwa 30 Abschüsse wurden verzeichnet.

Der Bunker erfüllte nur als Schutzraum für die Bevölkerung seine Funktion. Zudem mag er in Deutschland auch noch als Sinnbild für Uneinnehmbarkeit und Stärke gegolten haben. Von außen wurden die Bunkerbauten der Nationalsozialisten jedoch als erstes Anzeichen von Schwäche gewertet, wie ein zentral präsentiertes Zitat von Mao Tse-tung aus dem Jahr 1942 belegt: „Ein Staat wie das Dritte Reich hat seit seiner Gründung sein gesamtes politisches und militärisches Leben auf der Offensive begründet. Wenn diese zum Erliegen kommt, geht seine Existenz zu Ende.“ Bei diesem Ende waren die Bunker einer der letzten umkämpften Orte. Noch am 2.Mai 1945 wurde dort geschossen.

Nach dem Krieg wurde die aus zwei Teilen bestehende Bunkeranlage größtenteils gesprengt. Nur die Nordwand des Hauptturms wurde stehengelassen, um die nahen Gleisanlagen der S-Bahn nicht zu gefährden. Ende 1947 gab es erste Pläne, den Humboldthain wieder als Park anzulegen. Die Bunkerruinen wurden mit Trümmerschutt aufgeschüttet und bepflanzt. Auch die Rodelbahn und ein Rosengarten wurden bereits damals mit konzipiert.

Trotz vielfältiger Schließungsversuche durch das Bezirksamt Wedding konnte ein Zutritt in die stehengebliebenen Bunkerteile nie ganz verhindert werden. So entwickelte er sich als Anziehungspunkt für „Amateurhöhlenforscher“, war Lagerstätte für medizinischen Giftmüll und Herberge für „Obdachlose und Asoziale“, wie aus einem Zeitungsbericht der sechziger Jahre zu entnehmen ist. Die neonazistische „Kampfgruppe Priem“ errichtete dort Anfang der achtziger Jahre eine Art Kultstätte und soll auch Schießübungen abgehalten haben.

Nach dem tödlichen Sturz eines Neugierigen in der Ruine wurde bis Ende der achtziger Jahre erneut über einen endgültigen Abriß nachgedacht. 1989 wurden die Bunkerreste jedoch dann als mit hohen Zäunen versehene Aussichtsplattform ausgebaut. Die steile Außenwand dient seitdem der Berliner Sektion des Deutschen Alpenvereins als Kletterrevier. Gereon Asmuth

Öffnungszeiten der bis zum Sommer 1996 laufenden Ausstellung: Di und Do 12 bis 18 Uhr, Mi 10 bis 16 Uhr, So 11 bis 17 Uhr.