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Botha und Schulz sind nur Bauern in Kings Spiel

■ Sieht Stuttgart einen WM-Boxkampf oder nur ein meisterliches Geschäft?

Stuttgart (taz) – Es ist immer ein Vergnügen, einen US-amerikanischen Geschäftsmann „truly“ von jenem Geschäft schwärmen zu hören, das er gerade verkauft. „Meiner Meinung nach“, sagt mit angebrachtem Pathos in der Stimme Mister Frederic Kushner, „ist dies der beste und wichtigste Kampfabend, den es je in Europa gegeben hat.“ Das stimmt natürlich. So wie jedesmal. Und kann sogar belegt werden mit drei zusätzlichen Titelfights im Rahmenprogramm – zweimal WM, einmal EM.

Aber bestimmt wird der Wert des Samstagabends natürlich durch den Schwergewichts-WM- Kampf nach IBF-Version. Man könnte sagen, daß es den nur gibt, weil ein Axel Schulz aus Frankfurt/ Oder mitmacht. Weil sich für den 27jährigen nun aber – kosmopolitisch gesehen – bisher nur ein paar Promille der Weltbevölkerung interessieren, müßte man den Wert nicht nur auf Europa, sondern auf eine bestimmte Region in dessen Mitte beschränken. Hoppla, bloß nicht: Bitte schön, der Kampf wird „live in den USA übertragen“ (Kushner), im Pay-TV-Sender Showtime nämlich. Kushner hat mit Wilfried Sauerland, der deutschen Nummer 1 der Branche, den Stuttgarter Coup inszeniert. Mit oder, ganz wie man will, gegen Don King, den obersten aller Promoter. King soll in seinem Hirn momentan den ganz großen Geschäftscoup ausbrüten – Vereinigung der vier wichtigen Titel durch den resozialisierten Ex-Weltmeister Mike Tyson, dessen sportliche Qualifikation allerdings noch zu belegen ist.

Tatsächlich hat King im Moment zwei seiner Jungs zu Weltmeistern gemanagt, die erwiesenermaßen nicht zu den größten Leuchten gehören: Frank Bruno (WBC) und Bruce Seldon (WBA). Der Südafrikaner François Botha (27) wäre der dritte. Bliebe nur noch Riddick Bowe (WBO): Mit dem mutmaßlich Besten derzeit würden King und Tyson, der Dramaturgie und des Cashflow wegen, warten bis zum Schluß.

François Botha scheint seine Bauernrolle in Kings Spiel nichts auszumachen, im Gegenteil. Seit er in Stuttgart ist, schwelgt er von „Mister Don King“, der ihm „die Möglichkeit gegeben hat, um den Titel zu kämpfen“. Das ist in der Tat so beeindruckend, daß Botha dem Mann mit gewissem Recht „für immer dankbar“ sein muß.

Der titellose Botha hat alle seine 35 Kämpfe gewonnen, doch Experten fragen unbeeindruckt: Gegen wen? Und Axel Schulz ist deshalb nie Europameister geworden, weil der Brite Akinwande zweimal zu stark war. Und durfte dann im April in Las Vegas um die IBF-WM gegen George Foreman ran – einzig wegen der Verbindungen seines Managers Sauerland. Hauptsächlich deswegen wurde ihm nach der umstrittenen Punktniederlage auch das Recht auf einen erneuten Titelkampf aus der Luft dahergewedelt. Nun: Was heißt aus der Luft? Die ökonomische Logik hat immer recht. IBF- Präsident Robert Lee weiß längst, was er an Sauerland hat und daß der deutsche Markt beachtliche Zuwachsraten aus dem Nichts heraus verspricht.

Was mit den titellosen, aber womöglich besseren Lewis, Akinwande, Moorer, Holyfield ist? „Für mich ist diese Frage fehl am Platze“, sagt, was man verstehen kann, Axel Schulz. Nicht die, hat er bei der Pressekonferenz gesagt: „Wir boxen um die WM.“ Überhaupt lassen sich solche ehrenrührigen Fragen demnächst jederzeit klären. Eine nach der anderen.

Zehn Millionen setzt der Kampf um, je etwa drei kriegen die Kämpfer. Das ist für amerikanische Verhältnisse nicht allzuviel. Das ganz große Geld, das weiß jeder, kann Tyson bringen. Heute wird Don King in Stuttgart erwartet. Sauerlands Verpflichtung, den Kämpfer Schulz für weiteres Gelingen des großen Plans einzuspannen, soll er schon in der Tasche haben.

Horchet auf: Max Schmeling, bisher einziger deutscher Schwergewichtsweltmeister, hat diese Woche freundlich, aber bestimmt darauf hingewiesen, daß sich der Sieger, im Gegensatz zu ihm übrigens, allenfalls „Viertelweltmeister“ nennen könne. In einer ruhigen Minute hat aber auch der laute François Botha über seine Statistenrolle reflektiert. „Ich denke“, sagte der ansonsten naßforsche Mann, „wenn ich Schulz nicht schlage, dann bin ich draußen aus dem Schwergewicht.“ Er meint: aus dem Geschäft. Das hätte Axel Schulz so nicht gesagt. Es gilt aber auch für ihn. Peter Unfried

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