In Somalia sind Kriegsmeldungen zur Routine geworden

■ Verbreitete Kampfhandlungen, eine drohende neue Hungersnot und Cholera in Mogadischu: Drei Jahre nach dem Beginn der ausländischen Militärintervention herrschen ähnliche Zustände wie vorher

Nairobi (taz) – Routinemeldungen aus dem somalischen Alltag der vergangenen Woche: Mindestens drei Milizionäre starben zu Wochenanfang bei Kämpfen in der Hauptstadt Mogadischu. In der südlichen Hafenstadt Kismaju kam es am Donnerstag zu militärischen Auseinandersetzungen: Angeblich soll es dort General Morgan, dem Schwiegersohn des 1991 gestürzten und mittlerweile verstorbenen Ex-Diktators Siad Barre, gelungen sein, Anhänger seines Rivalen General Farah Aidid zu vertreiben.

Auch aus der Gegend um Baidoa wurden diese Woche schwere Kämpfe gemeldet. General Aidid hatte die Kleinstadt, die von der Hungersnot von 1992 besonders schwer betroffen war, im September eingenommen. Im November begannen sich rivalisierende Clans zu bekriegen; ein Schlichtungsversuch von Ältesten wurde nicht eingehalten, und am Mittwoch sollen 17 Menschen bei erneuten Zusammenstößen ums Leben gekommen sein. Ruhig ist die Lage hingegen in Belet Huen, dem ehemaligen Stationierungsort der deutschen Bundeswehrsoldaten in Somalia: Dort wurden Aidids Anhänger vor einigen Monaten vertrieben.

Auf den Tag genau drei Jahre nach der spektakulären Landung der ersten US-Soldaten auf dem Strand von Mogadischu und rund neun Monate nach dem Abzug der letzten US-Blauhelme ist für keines der grundsätzlichen Probleme Somalias eine Lösung in Sicht. Weder die zunächst US-geführte internationale Militärintervention Ende 1992 noch der vollständige Rückzug ausländischer Truppen bis zum März diesen Jahres hat Somalia dem Frieden näher gebracht. „Alles ist total zersplittert“, sagt einer der wenigen ausländischen Mitarbeiter internationaler Hilfsorganisationen, die derzeit noch in dem ostafrikanischen Land tätig sind. „Man kann nicht von einer Situation in Somalia sprechen – es gibt viele Situationen. Das Bild ist nicht einheitlich, und es gibt derzeit keinerlei seriöse Initiativen, irgendeine Lösung für das ganze Land zu finden.“ Die Rivalitäten zwischen den verschiedenen Fraktions- und Milizenchefs bestehen fort. Gleichzeitig scheinen die Kriegsfürsten immer größere Schwierigkeiten zu haben, ihre eigenen Anhänger unter Kontrolle zu halten.

Vor allem unter den Tausenden von Kriegsflüchtlingen nehmen erneut Fälle von Unterernährung zu. Mit einer weiteren Verschärfung der Lage wird nun gerechnet, da die letzte Ernte nach Einschätzung ausländischer Nahrungsmittelexperten nur rund die Hälfte des Ertrages vom Vorjahr brachte und die Aussichten für die nächste Ernte ebenfalls schlecht sind. Und die kriegerischen Auseinandersetzungen vertreiben immer weitere Einwohner aus ihren Heimatgebieten: Allein in Mogadischu sind in den letzten Wochen rund 1.500 Flüchtlingsfamilien neu eingetroffen.

In der somalischen Hauptstadt ist die Versorgungslage besonders problematisch, da Hafen und Flughafen der Stadt geschlossen sind und seit dem Einmarsch von Aidids Milizen in Baidoa auch der Lebensmittelnachschub aus dieser Kleinstadt unterbrochen ist. Seit zwei Tagen ist jetzt auch der ehemalige Militärflughafen Bali Dogle geschlossen – die einzige bislang noch funktionsfähige Einrichtung mit einer für größere Frachtflugzeuge geeigneten Landebahn. Aidid hat dort die Präsenz seiner Milizen verstärkt und dem Vernehmen nach auch Luftabwehrraketen stationiert. Ein Flugzeug des UN-Kinderhilfswerks Unicef konnte am Donnerstag nicht landen, eine geplante Luftbrücke mit 600 Tonnen Spezialnahrung für unterernährte Kinder in Mogadischu und Kismaju ist damit gefährdet.

Bereits seit Juni gibt es in Mogadischu kein fließendes Wasser mehr, weil eine ursprünglich zwischen Geschäftsleuten getroffene Vereinbarung über die gemeinsame Dieselversorgung eines Brunnenfeldes nicht eingehalten wurde. In dieser Woche wurden die ersten Cholerafälle in Mogadischu bestätigt.

Diplomatische Initiativen des Auslands gibt es so gut wie keine. Zum ersten Mal seit dem Abzug der UNO führten allerdings in dieser Woche US-amerikanische Gesandte Gespräche in Mogadischu mit General Aidid und seinem Rivalen Ali Mahdi. Über den Inhalt der Unterredungen wurde nichts bekannt. Beobachter gehen jedoch davon aus, daß es dabei weniger um die Sondierung politischer Lösungen ging als um die Interessen einer US-Firma, die Bananen aus Somalia exportiert. Ob die betroffenen Bananen allerdings wirklich alle in Somalia gewachsen sind, ist fraglich. Experten halten es für wahrscheinlich, daß die Bananenfirma in Wahrheit überwiegend südamerikanische Früchte verkauft und sich dafür der somalischen Quote bedient, die die EU dem Land reserviert hat. In dieser Hinsicht wenigstens ist Somalia für ausländische Interessenten noch immer von Bedeutung. Bettina Gaus