: Dem BND ist das Strahlen vergangen
Spanischer Kronzeuge stellte im Plutonium-Ausschuß deutsche Dunkelmänner bloß ■ Aus Bonn von Holger Kulick
Es wird eng für den BND, Geheimdienstkoordinator Schmidbauer und so manche Dunkelmänner im bayrischen Landeskriminalamt. Denn immer deutlicher wird, wer die Verantwortung dafür trägt, daß am 10. August 363 Gramm Plutonium leichtfertig per Lufthansa von Moskau nach München geflogen wurden. Immer offensichtlicher wird, daß der BND in Pullach den Scheinankauf arrangieren ließ, mit Rückendeckung aus der hohen Politik, und um auf dem Münchener Flughafen einen großen Fahndungserfolg feiern zu können. Skrupellose Erfolgssucht vor den bayrischen Landtagswahlen und Bundestagswahlen im Oktober 1994 war wohl Auslöser der risikoreichen Tat. Darauf lassen die überraschenden Aussagen einer Schlüsselfigur des dubiosen Deals vor dem Plutonium-Untersuchungsausschuß des Bundestags schließen.
Der 42 Jahre alte spanische Ex- Polizist Rafael Ferreras „Rafa“, der als V-Mann der spanischen BND-Residentur den Deal mit einfädelte, trat gestern und vorgestern unter Polizeischutz vor dem Bonner Gremium auf. Rafa stellte im Juli 1994 für den BND und das bayrische Landeskriminalamt den Kontakt zu kolumbianischen und spanischen Dealern her, die in Madrid und München als Anbieter für Waffen aller Art, Litium und Plutonium auftraten. Von ihnen beschaffte Rafa im Juli 94 zunächst eine Probe von 4 Gramm Plutonium 239 und orderte danach in Absprache mit Vertretern des BND und bayrischen Landeskriminalamts eine Bestellung von 4 Kilogramm des radioaktiven Materials. Dabei hatten die Dealer deutlich gemacht, daß das Material binnen 8 bis 10 Tagen per Lkw unter Schnittblumen aus Moskau beschafft werden kann. Auf den Wunsch des BND-Vertreters „Adrian“, ob das Material nicht auf dem Luftweg schneller zu beschaffen sei, hätten die Händler geäußert, das sei kein Problem, denn sie würden „durch einen Minister protegiert“.
Wer damit gemeint sei, wußte Rafa nicht zu sagen. Münchens Flughafen statteten die Geheimdienstler laut Rafa schon 10 Tage vor dem bestellten Transport mit „Geräten“ aus, um den Schmuggel zu überwachen. Für den 10. August 1994 kündigten die Händler dann eine Lieferung von 496 Gramm Plutonium und einem Kilo Litium an, geschmuggelt im regulären Lufthansa-Jet. Mit 363 Gramm im Gepäck nahm die bayrische Polizei die Atomschmuggler schließlich bei ihrer Rückkehr aus Moskau fest, sie wurden im Frühjahr zu Haftstrafen zwischen drei und fünf Jahren verurteilt.
Auf seine Vernehmungen vor Gericht hätte ihn der BND vorbereitet und zur Falschaussage verleitet, gestand Rafa. Er sollte leugnen, daß er schon früh davon wußte, daß das Material aus Moskau transportiert werde. Nach dem Deal hätte ihn das BND fallen lassen. Pleite, und in einem leeren Zimmer nur mit Alkoholika. Alle Versprechen, ihn mit viel Geld und einer neuen Existenz in Chile abzusichern, hätten sich in Luft aufgelöst. „Korruption und Bestechung“ warf der Spanier den deutschen Geheimdienstlern vor, sie würden das Bild Deutschlands und seiner Regierung beschmutzen.
Ganz nebenbei enthüllte der BND-Spitzel Rafa auch, wie sich BKA und BND bekriegen und gegenseitig Agenten abwerben. Dabei zog der BND offensichtlich das bayrische Landeskriminalamt dem BKA vor. Schon im Juli 94 habe der BND- Mann Adrian, der Rafa als Dolmetscher getarnt begleitete, dem Spanier erläutert, wie wichtig es sei, „das Geschäft abzuwickeln“, denn die bayrischen Landtagswahlen stünden bevor. Passieren könne bei dem Deal nichts, denn „alle Chefs und die deutsche Regierung sind eingeweiht“, hätte ihn der BND beruhigt. Ein Vertreter der Bundesregierung hätte ihm 1995 noch einmal bestätigt, daß ihm kein Schaden droht.
Schon vor zwei Wochen hatte die Mitarbeiterin des BND „Sybilla“, die Rafa in Spanien für den deutschen Geheimdienst warb, sehr deutlich gemacht, wie intensiv die Abteilung A 11 aus Pullach die Fäden bei dem Deal an sich zog. Am Ende wollten die Geheimdienstler offenbar Sybilla und Rafa als Sündenböcke gegeneinander ausspielen und unglaubwürdig machen. „Da wollen einige eine weiße Weste behalten“, hatte die Agentenwerberin vor dem Ausschuß beklagt. Sie bestätigte, daß im Vorfeld der ersten Untersuchungen des Schmuggels in der Parlamentarischen Kontrollkomission PKK, sowohl in München als auch Bonn überraschend häufig Kanzleramtsminister Schmidbauer bei den Vorbesprechungen zugegen war.
Mit dem Zeugen Rafa ging der Ausschußvorsitzende Gerhard Friedrich (CSU) höchst verächtlichmachend um, zeitweise behandelte er ihn wie ein kleines Kind. „Sie lassen mich fühlen, als ob ich ein Verbrecher wäre“, reagierte dieser und drohte, seine Aussagebereitschaft zurückzuziehen, wenn sein Zorn über den BND nicht ernstgenommen wird. „Der BND ist ganz offenbar die treibende Kraft des Deals gewesen“, resümierte das SPD-Ausschußmitglied Hermann Bachmeier gestern Rafas Vernehmung. „Die versuchte Verteidigung der Behörden wird immer zweifelhafter“, erklärte das PDS-Ausschußmitglied Gregor Gysi. Die Geheimdienstler hätten den Plutoniumflug mit der Lufthansa „menschengefährdend“ in Kauf genommen. „Die Verantwortlichen für das Geheimdiensttreiben sind zu den eigentlichen Hintermännern des Deals geworden“, kritisierte gegenüber der taz das Ausschußmitglied der Grünen, Manfred Such.
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