: Russische Mafia-Fähre unter Arrest
■ Mit Ostseefähren macht eine russische Reederei dubiose Geschäfte
Stockholm – Seit Freitag liegt das russische Fährschiff „Ilich“ im Hafen von Stockholm an der Kette. Auf Antrag der schwedischen Seeleutegewerkschaft verhängte ein Gericht einen Arrest über das Schiff. Die 200 Besatzungsmitglieder haben seit vier Monaten keinen Lohn erhalten. Das Schiff, das zwischen Stockholm und Riga sowie St. Petersburg verkehrt, soll so lange festgehalten werden, bis die Reederei ihren Verpflichtungen gegenüber der Besatzung nachgekommen ist.
Hinter dem Schiff und der Reederei, der „Baltic Shipping Company“ (BSC), verbirgt sich nach Informationen der Seeleutegewerkschaft eine mafiaähnliche Organisation. Formal gehört die Reederei zu 50 Prozent dem russischen Staat und zur anderen Hälfte vorwiegend exilrussischen Privatpersonen. Die Behörden in St. Petersburg sahen sich inzwischen zur Einsetzung einer Untersuchungskommission veranlaßt.
Die Reederei, die noch vor Jahren über mehr als 200 Schiffe verfügte, hat diese mittlerweile zu 90 Prozent verkauft – zu auffällig günstigen Preisen an Zwischenhandelsfirmen, die diese dann zu wesentlich höheren Marktpreisen weltweit weiterverkauft haben. Vermutet wird, daß kriminelle Kreise das Milliardenvermögen der Reederei – und damit auch Staatsvermögen – plündern.
Die Seeleutegewerkschaft hält die Machenschaften für ein ernstes Sicherheitsrisiko für Schiff und Passagiere. Reisenden zufolge versucht die Besatzung, mit schwarz verkaufter Duty-free-Ware Geld zu verdienen. Vertreter der Seeleutegewerkschaft, die die Zustände an Bord erkundeten, wurden anschließend anonym an Leib und Leben bedroht.
Die teilweise über 20 Jahre alten Ostseefähren sind für die BSC- Reederei die reinsten Goldesel. Reisende aus Skandinavien und Deutschland zahlen in Westvaluta, die Besatzung wird in Rubel oder – Beispiel „Ilich“ – überhaupt nicht entlohnt. Ein anderes BSC- Fährschiff, die „Anna Karenina“, läuft auch Deutschland an und verkehrt wöchentlich zwischen Kiel, Stockholm und St. Petersburg. Die Seeleutegewerkschaft möchte nun offenbar auch die Zustände auf diesem Schiff untersuchen. Reinhard Wolff
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