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Das Recht auf Glück in Europa

■ Eine Tagung thematisierte MigrantInnen an der Schwelle zur Legalität

Wieviele Menschen illegal in Deutschland leben, ist nicht bekannt. Wenn der Spiegel der vergangenen Woche von 100.000 allein in Berlin spricht, sind dies pure Spekulationen. Fest steht lediglich, daß die Zahl der „Illegalen“ mit einer zunehmend restriktiven Praxis der Ausländerpolitik wächst.

Dies bestätigten gestern alle ReferentInnen einer Tagung, die von der AWO in Kooperation mit dem Zentrum für Sozialpolitik und der Sozialsenatorin initiiert worden war. Nachdem im vergangenen Jahr eine Konferenz das von der Politik weitgehend „verdrängte Phänomen“ erstmalig ansprach, traf man sich jetzt, um die Lebensbedingungen der Illegalen in Deutschland, den Niederlanden und Großbritannien zu vergleichen.

Ein wesentlicher Unterschied liegt im Melderecht. So muß in Großbritannien niemand einen Ausweis bei sich tragen oder einen Wohnsitz nachweisen. Auf diese Weise können auch illegal im Land lebende Flüchtlinge das kostenlose Gesundheitssystem in Anspruch nehmen, ohne befürchten zu müssen, dabei entdeckt zu werden. Sie können sogar heiraten oder ihre Kinder zur Schule schicken. Auf ein neues Gesetz, das die Schulen und andere Einrichtungen auffordert, verdächtige Fälle zu melden, wird kaum reagiert. Allerdings ist die Ehe mit einem/r englischen PartnerIn keine Garantie für einen gesicherten Aufenthaltsstatus. Bei Verdacht auf eine Scheinehe prüft die Innenbehörde strengstens.

Illegalität wird teilweise durch die Asylregelungen produziert. So ist es in Deutschland üblich, daß Flüchtlingen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht abgeschoben werden können, selbst über Jahre hinweg lediglich Duldungen ausgesprochen werden. Anders die Niederlande: Wer nicht abgeschoben werden kann, erhält eine Aufenthaltsgenehmigung für 12 Monate. Nach Ablauf von drei Jahren kann die dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung beantragt werden. Nach niederländischem Recht können z.B. die vor drei Jahren eingereisten bosnischen Flüchtlinge im Land bleiben. Deutschland hingegen spricht bereits davon, die rund 450.000 Kriegsflüchtlinge zurückzuschicken.

Die TagungsteilnehmerInnen sprachen sich dafür aus, die Rücckehrfristen zu verlängern. Das Thema Illagalität sei unbedingt zu enttabuisieren. Die Ursachen müßten erforscht werden, das besonders in Deutschland nur sehr dürftige und allein von nichtstaatlichen Stellen vorgehaltene Hilfsangebot sei auszubauen. Matthias Güldner, im Sozialressort Referatsleiter für Ausländerintegration: „Es nützt nichts, das Thema Illegalität weiter zu verdrängen. Es muß dringend was getan werden.“ dah

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