: Pensionäre studieren auf Staatskosten
■ Landesrechnungshof kritisiert Frühpensionierungen / Von der Frührente ins Studium
34 Jahre jung war eine Bremer Verwaltungsbeamtin als sie – mit einem Ruhegeld von 4.284,12 Mark brutto monatlich – dienstunfähig in den Ruhestand ging. Viermal wurde die Frau in den folgenden fünf Jahren von verschiedenen Amtsärzten untersucht. Einhellige Diagnose: Dienstunfähig. Die ehemalige Staatsdienerin studierte Jura. Daß sie im Rahmen dieser Ausbildung Praktika von insgesamt etwa zwei Jahren absolvieren mußte, störte den Amtsarzt nicht. Als Referendarin kassierte die Frau nun außerdem einen Unterhaltszuschuß von 1.831,20 im Monat. Inzwischen ist die Pensionärin Anwältin. Daß ihr die Ruhebezüge noch immer pünktlich überwiesen werden, ergibt sich aus dem Beamtenversorgungsgesetz.
Der Landesrechnungshof hat die Praxis der Frühpensionierungen im Land Bremen scharf kritisiert und jetzt in seinem Jahresbericht einige „bemerkenswerte Einzelfälle“ veröffentlicht. Die pensionierten Jura-Studentin ist nur die Spitze des Eisbergs: Bremens dienstunfähige Beamte studieren Kunst oder werden Heilpraktiker. Die amtsärztlichen Gutachten, die ihnen das ermöglichen, umfassen „oft nur zwei Sätze“. Knapp die Hälfte der Diagnosen seien nicht „definiert“. Beamtenanwärter, die von ihren Ausbildern als unfähig eingestuft werden, würden verbeamtet – und wenig später wegen Überforderung pensioniert.
Die Rechnung für diese Mißwirtschaft zahlen die Steuerzahler: Nach Schätzungen der Senatskommission für das Personalwesen (SKP) schlugen die Versorgungsbezüge 1994 mit rund 364 Millionen Mark zu Buche. Bis ins Jahr 2010 rechnet die SKP mit 942 Millionen Mark. 2.568 Beamte sind von 1986 bis 1994 in Bremen pensioniert worden. 60,4 Prozent, also 1.550 Beamte, kehrten der Behörde dienstunfähig den Rücken – darunter viele Lehrer. 84 Prozent verließen den Schuldienst im vergangenen Jahr wegen Dienstunfähigkeit. Durchschnittsalter: 56,7.
Darunter ein Lehrer, der sich – trotz Dienstunfähigkeit – drei Jahre an der Universität weiterbildete. Er unterrichtete nur noch sechs Stunden pro Woche – bei vollem Gehalt. Danach wurde ihm ein Kunststudium bewilligt. Als die Behördenleitung wissen wollte, wie der Mann trotz Krankheit ein solches Pensum bewältigen könne, kam die Antwort: Die gesundheitlichen Probleme träten „immer dann auf, wenn er mit Schülern zu tun habe. Ansonsten fühle er sich in der Schule wohl“. Der Pädagoge wurde später pensioniert – dienstunfähig.
Bemerkenswert erschien dem Rechnungshof auch der Fall eines Grundschullehrers, der – trotz schlechtester Noten – auf Lebenszeit verbeamtet wurde. Zwischen Einstellung und zweitem Staatsexamen waren fünf Jahre verstrichen – laut Prüfungsordnung die Probezeit bestanden. Der Lehrer wurde aufgrund der Überforderung „psychisch krank“ und in den Ruhestand versetzt.
Eine Lösung, die dem Rechnungshof generell nicht behagt. Bevor Beamte pensioniert werden, solle künftig geprüft werden, ob sich nicht ein anderer Job findet. Außerdem sollen die Pensionäre nach ihrer Genesung in den Staatsdienst zurückgeholt werden. Zur Zeit ist das nur fünf Jahre nach der Pensionierung möglich. Danach kann die Pensionäre keiner mehr zwingen zurückzukommen – selbst wenn sie kerngesund sind. kes
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