: Gehirne suchen Erkenntnis
■ Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert Sonderforschungsbereich „Neurokognition“ Bremen und Oldenburg
Wie kann ein Salamander eine Fliege fangen? Warum verirrt sich eine Biene nicht auf ihren kilometerweiten Flügen - und wie bewegt der Mensch sein Auge? Diesen und anderen Geheimnissen der Gehirne von Tieren und Menschen wollen Bremer und Oldenburger WissenschaftlerInnen in einem gemeinsamen Sonderforschungsbereich (SFB) nachgehen: „Neuronale Grundlagen kognitiver Leistungen“ - Kurztitel „Neurokognition“.
Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft für wenigstens drei Jahre mit insgesamt 4,5 Millionen Mark finanziert. Zusätzlich will die Bremer Uni aus eigenen Mitteln vier weitere Professuren für die Gehirnforschung einrichten - trotz knapper Mittel. Die Oldenburger wollen eine zusätzliche Professoren-Stelle beisteuern. „Das weltweit Besondere des Forschungsansatzes ist, daß hier interdisziplinär Grundlagenfoschung betrieben wird,“ erklärt Gerhard Roth, Doktor der Biologie und auch der Philosophie. Er übernimmt in Bremen die Federführung des SFB.
Die Kognition umfaßt Leistungen wie Wahrnehmen, Denken und Vorstellen, die bisher vor allem von Psychologen untersucht wurden. Unabhängig davon untersuchten Biologen und Physiker den Aufbau des Gehirns und seiner Zellen, den Neuronen. „Neurokognition soll die Leistungen des Gehirns als Ganzes erforschen“, erklärt der Max-Planck-Preisträger Reto Weiler. Im SFB sollen deswegen Psychologen mit Biologen und Physikern zusammen arbeiten. Der Biologe Weiler selbst wird in Oldenburg Einzelprojekte des SFB leiten.
Ein Sonderforschungs-Bereich ist ein exklusives Förderinstrument der Deutschen Forschungsgemeinschaft: Der Förderzeitraum kann bis zu 15 Jahre betragen. Allerdings wird alle drei Jahre die Förderwürdigkeit überprüft. Für Bremen ist dies bereits der vierte Sonderforschungsbereich; für die etwas jüngere Universität in Oldenburg der erste. Der Sonderforschungsbereich hilft bei der Profilierung der Universitäten, betonen übereinstimmend Jürgen Timm, Rektor der Bremer Universität, und Michael Daxner, Präsident der Oldenburger Uni. Dies sei für kleine Universitäten wichtig, um in Konkurrenz zu den großen Universitäten bestehen zu können.
Gerhard Roth arbeitet bereits seit sechs Jahren daran, Teile von Salamander-Gehirnen auf dem Rechner zu simulieren. Dieser soganannte „Simulander“ kann in der künstlichen Welt eines Rechners mit seiner virtuellen Zunge eine Fliege aus der Luft fangen. Das Wissen über Salamander-Gehirne wurde gesammelt und in Rechnermodelle übersetzt. Im Rahmen des SFB soll künftig die vierte Version des „Simulanders“ entwickelt werden: Er kann wie sein natürliches Vorbild Schmeißfliegen von Stubenfliegen unterscheiden und den eigenen Kopf seiner Beute hinterherbewegen. Nutzen soll diese Forschung vor allem dem Fortschritt in der Robotik: Bei der Orientierung im Raum und dem Erkennen von Gegenstände seien ganzheitlich arbeitende Gehirne allen technischen Apparaturen bei weitem überlegen, sagt Gerhard Roth. aw
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