: Kassen müssen Homöopathen zahlen
■ Landessozialgericht: Kostenübernahme auch für Außenseitermedizin
Celle. Krankenkassen müssen im Einzelfall auch für ungewöhnliche Behandlungsmethoden die Kosten übernehmen. Mit diesem am Dienstag veröffentlichten Urteil des Landessozialgerichts Celle zugunsten eines Kindes aus Walsrode (Kreis Soltau-Fallingbostel) ist erstmals in Deutschland die Kostenerstattung für sogenannte Außenseitermethoden befürwortet worden. Die Barmer Ersatzkasse als Unterlegene hat allerdings noch die Möglichkeit, das Bundessozialgericht anzurufen. (Aktenzeichen: L 4 Kr 11/95).
Die Eltern des jetzt achtjährigen Jungen forderten rund 10.000 Mark Behandlungskosten von der Kasse. Das Kind war von einem nicht an der vertragsärztlichen Versorgung beteiligten Allgemeinmediziner immunbiologisch wegen einer Muskelerkrankung (Muskeldystrophie vom Typ Duchenne) erfolgreich behandelt worden. Nach Angaben der Eltern und des behandelnden Arztes ist die Krankheit bei dem Kind zum Stillstand gekommen, nachdem es mit Thymuspeptiden, Zytoplasma gesunder Muskelzellen, biophysikalisch mit hochfrequenten Schwingungen und homöopathischen Präparaten behandelt wurde.
Die Krankheit führt zwischen dem achten und zwölften Lebensjahr regelmäßig zur Gehunfähigkeit und noch vor dem 20. Geburtstag zum Tod. Es es zur zeit keine kausale Therapiemöglichkeit. Die Schulmedizin bietet als systemorientierte Behandlung Krankengymnastik, Cortisonpräparate und Operationen an.
Die bei dem Kind vorgenommene Behandlung sei „plausibel“, urteilten die Richter. Außerdem habe es in ganz Norddeutschland keinen zugelassenen Arzt gegeben, der sie auch habe vornehmen können. Die Richter stellten außerdem fest, daß auch einem pflichtversicherten Patienten ein Selbstbestimmungsrecht für seine ärztliche Behandlung zusteht. Infolge der Pflichtversicherung mit ihren hohen Beiträgen habe er kaum ein Möglichkeit, eine Lücke im Versicherungsschutz zu schließen. Damit wäre er aber nach Auffassung der Richter gegenüber Nichtversicherungspflichtigen erheblich und grundrechtwidrig benachteiligt.
Das Gericht kritisierte in seiner Urteilsbegründung den Gesetzgeber. Was dieser unter „neuen, nicht ausreichend erprobten Verfahren und Außenseitermethoden“ verstehe, bleibe offen. Unter Hinweis auf diese Gesetzestexte waren bisher Klagen von Versicherten abgewiesen worden. Im Gesetz habe sich die Absicht nicht wiedergefunden, „besondere Therapieeinrichtungen“ von der Leistungspflicht der Kassen auszuschließen. Auch zu der Frage, nach welchen Kriterien die Qualität der „besonderen Therapieeinrichtungen“ zu beurteilen sei, schweige das Gesetz, kritisierten die Celler Richter. dpa
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