Deutsche Gastlichkeit

■ betr.: „Gäste auf Zeit“, taz vom 16./17. 12. 95

Jetzt haben die deutschen Innenminister in Erfurt beschlossen, daß die Kriegsflüchtlinge zum 30. 3. 1996 nach Bosnien-Herzegowina und Restjugoslawien abgeschoben werden sollen. Dies wird damit begründet, daß sie ihr Land wieder aufbauen sollen. Damit wird denen der Wiederaufbau zugemutet, die wirklich nichts dazu beigetragen haben, das Land zu zerstören. Denn unter diesen Flüchtlingen sind viele Männer, die der Einberufung in die verschiedenen Armeen nicht nachgekommen sind oder sich von der Truppe entfernt haben, und deren Familien. Viele Jugoslawen kommen aus gemischtnationalen Familien, die sich nicht willkürlich einem der Nachfolgestaaten zuordnen lassen.

Der Vertrag von Dayton sieht nicht etwa die Entmilitarisierung des Landes vor. Diejenigen, die den sogenannten Friedensvertrag unterzeichnet haben, sind drei Hauptkriegsverbrecher. 90 Tage nach dem Inkrafttreten des Abkommens dürfen sie wieder unbegrenzt Waffen importieren. Das Waffenembargo soll dann nicht mehr gelten. Die Aufrüstung wird ungehindert vorangetrieben, wenn die deutschen Rüstungskonzerne an alle Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien liefern dürfen. Die Wehrpflicht wird weiterbestehen. Kriegsdienstverweigerer und Deserteure können weiterhin zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt werden und werden erneut in die Armee einberufen. Sie dürfen deshalb nicht ausgeliefert werden.

Die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen betreut Kriegsflüchtlinge und Deserteure aus dem ehemaligen Jugoslawien. Wir fordern, diesen unbefristetes Bleiberecht zu gewähren und werden Abschiebungen nicht hinnehmen. Denn niemand kann heute wissen, ob der Krieg im ehemaligen Jugoslawien in Folge der Aufhebung des Waffenembargos und der Wiederaufrüstung aller Kriegsparteien verstärkt und brutaler als jemals zuvor fortgesetzt wird. Ralf Cüppers,

Sottrupskov, Dänemark