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Bischof im Weihnachtsstreß

■ Herausforderung Heiligabend: Schwierigste Predigt des Jahres

Alle Jahre wieder: Heiligabend strömen die Menschen zur Kirche – drängen sich auf Bänken, um den Altar herum und stehen im Gang. Laut Statistik der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) besuchen am 24. Dezember fast 25 Millionen Bundesbürger einen Gottesdienst, das sind vier Mal mehr als an einem normalen Sonntag – Tendenz: steigend. Doch die traditions- und ritualreiche Feier der 2.000 Jahre alten biblischen Botschaft ist für Horst Hirschler, Bischof der größten Gliedkirche der EKD, der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, eine der schwierigsten, sicher aber die herausforderndste Predigt im Kirchenjahr.

„Da sitzen ja auch Menschen, die noch nie oder erst ein Mal in der Kirche waren. Menschen, die nur Weihnachten in die Kirche gehen. Kritische Leute, Menschen, die Predigten nicht gewöhnt sind“, weiß Hirschler. „Viele von ihnen kennen wenig von der Weihnachtsbotschaft.“ Sie sehnten sich zum Beispiel in der Marktkirche in Hannover nach Besinnlichkeit, Harmonie, Kindheitserinnerungen und altbekannten, fröhlichen Liedern. In all dem stecke auch Weihnachten.

„Die Fröhlichkeit des Festes liegt doch darin, daß Gott sich den Menschen zuwendet“, erläutert der Bischof. „Mit diesem Jesus aus Nazareth ist Gott erkennbar geworden, mit diesem Kind ist ein Stück Himmel auf die Erde gekommen und diese Geburt vor 2000 Jahren hat etwas mit unserem heutigen Leben zu tun.“ Dies jedes Jahr den unterschiedlichsten Menschen zu vermitteln ist für Hirschler eine „ungeheure Herausforderung“. Aus Erfahrung weiß er, daß tausende von Pastoren-Kollegen den Heiligabend-Gottesdienst ebenso empfinden.

Das „Schlimmste“ wäre es in seinen Augen denn auch, wenn die Gottesdienstbesucher nach Hause gingen mit dem Gedanken: „Das hätte ich mir schenken können.“ Umsonst eine halbe Stunde eher in die Kirche gekommen, umsonst gewartet, umsonst sogar eine Stunde gestanden – das, so Hirschler, „sitzt mir richtig als Furcht im Nacken“. Es wäre eine vergebene Chance, den Menschen etwas von der Freude des Glaubens zu vermitteln.

Weihnachten ist das populärste Fest in Deutschland und gleichzeitig auch das, bei dem die Hauptsache des Christlichen im Mittelpunkt stehe. „Gott hat uns mit dieser Welt versöhnt. Deshalb ist es so richtig, hier ein Stück heile Welt zu feiern, obwohl die Welt nicht heil ist“, meint der Bischof. 25 Millionen Menschen scheinen jedes Jahr zu spüren, daß die biblische Botschaft tief mit diesem teils romantisch verklärten, teils hinter Weihnachtsmännern und Geschenken versteckten Tag zusammenhängt. „Der Heiligabend“, sagt Hirschler pragmatisch, „ist eine christliche Veranstaltung, bei der jeder mit Herz und Seele dabei sein kann.“

dpa

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