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Knete zum Fest

■ Warum nur versteckt das ZDF sein Kleinod, "Wallace & Gromit", im Kinderprogramm? (Mo., 13.10 Uhr; Di., 13.00)

Jeden Morgen steht Wallace senkrecht im Bett. Das ist nichts Ungewöhnliches für den Hauptdarsteller des englischen Animationsfilmers Nick Park, denn auch seine Matratze befindet sich in der Vertikalen, während sich im Schlafzimmerfußboden eine Falltür öffnet. Auf diesem Weg rutscht Wallace so ein Stockwerk tiefer in die Küche, wo sein Hund Gromit ein Schaltpult bedient und dafür sorgt, daß Herrchen von elektronisch gesteuerten Greifarmen bekleidet wird.

Der Bastler Wallace und sein lesender Kompagnon Gromit, die inzwischen auch hierzulande von einer kleinen Fangemeinde verehrt werden, sind Knetfiguren. Aus Plastilin modelliert und im Original etwa 30 Zentimeter hoch, bewegt sie ihr Regisseur Nick Park in kleinsten Schritten vor der Kamera, bis nach Tausenden von Einzelbildern ein kompletter Film entstanden ist. Dabei wendet Nick Park ein Verfahren an, das die Animation zusätzlich erschwert: Wallace spricht lippensynchron; sein Mund verzieht sich also bei jedem Vokal in eine andere Richtung. Beim Filmen dieser Aufnahmen muß das Gesicht der Plastilinpuppe daher für jedes Bild neu modelliert werden – eine Sekunde Animationsfilm besteht jeweils aus 25 Bildern. Und wie viele Animationsfilmmacher arbeitet Nick Park, der bekennende Perfektionist, am liebsten allein. Hier liegt denn auch einer Gründe für die recht lange Produktionszeit seines ersten „Wallace und Gromit“-Films. Insgesamt sechs Jahre benötigte Nick Park für seinen 23minütigen Erstling.

In „A Grand Day Out“ („Alles Käse“) reisen Wallace und Gromit in einer selbstgebauten Rakete zum Mond, um ihren Kühlschrank neu zu füllen. Denn wie jeder weiß, doziert Wallace, ist der Mond aus Käse gemacht. Er hat recht – allerdings beginnt das wahre Abenteuer für die beiden erst, als sie nach der Landung einem münzbetriebenen und äußerst gewaltbereiten Kochherd begegnen.

Handwerklich noch genauer und darüber hinaus noch absurder ist der zweite Kurzfilm mit Nick Parks Helden. Eine halbe Stunde lang, funktioniert der Oscar-Preisträger „The wrong Trousers“ („Die Techno-Hose“) wie ein klassischer abendfüllender Thriller. Angesichts einer nahezu komplett geplünderten Haushaltskasse nimmt Wallace einen Untermieter auf – einen zwielichtigen Pinguin, der sich bald beim Hausherrn eingeschmeichelt hat, Gromits Zimmer übernimmt und nachts, als Hühnchen verkleidet, kriminellen Machenschaften nachgeht. Und dann wird auch noch Gromits Geburtstagsgeschenk, eine ferngesteuerte Hose, zweckentfremdet: Das Unheil nimmt seinen Lauf.

Abgesehen von der wüsten Geschichte, besticht „The wrong Trousers“ durch die große Liebe zum Detail. Wallaces Haus ist komplett eingerichtet, mit Parkettfußboden, Sparschwein und Stehlampe. An den Wänden von Gromits Zimmer kleben sogar sehr hübsche Tapeten mit Knochenmuster. Die mag der unheimliche Untermieter allerdings nicht: Er favorisiert Fischdrucke.

Natürlich gehören „Wallace und Gromit“-Filme ins Abendprogramm. Schließlich sind sie für erwachsene Zuschauer gedacht. Doch da deutsche Fernsehsender – mit Ausnahme von premiere – immer noch nichts mit dem zeitgenössischen Trickfilm anfangen wollen, sind die Freunde der Animation dankbar, daß sie überhaupt etwas zu sehen bekommen. Außerdem ist 13 Uhr bzw. 13.10 Uhr nicht die schlechteste Zeit an einem arbeitsfreien Tag. Man kann ausschlafen, sich ein schönes Frühstück bereiten und wieder unter die Decke kriechen. Dann wird das ZDF eingeschaltet.

Und spätestens, wenn sich Wallace und Gromit ihre rasante Verfolgungsjagd mit dem teuflischen Pinguin liefern, steht man senkrecht im Bett. So schön kann Fernsehen an Weihnachten sein. Carola Rönneburg

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