: Bürgerbeteiligung als Farce
■ betr.: „Öko als Standortvorteil“ (Umweltminister wollen keine Be schleunigung um jeden Preis), taz vom 18. 12. 95
[...] Umweltschützern, die seit längerer Zeit den Ablauf von Genehmigungsverfahren verfolgen, fehlt der Glaube an die Botschaft der UmweltministerInnen. Sie stellen mit Besorgnis fest, daß die Bürgerbeteiligung zunehmend zur Farce degradiert wird. Die Forderungen nach Minderung von Schäden und Risiken, die von beantragten Projekten betroffene Dritte stellen, werden immer weniger berücksichtigt. Die Forderung nach Verweigerung von Genehmigungen, um Risiken auszuschließen, wird grundsätzlich verweigert.
Hinter dieser Genehmigungspraxis steht die Auffassung, daß die Behörden Antragstellern gegenüber verpflichtet sind, auch umweltschädigende Projekte zu genehmigen. Gerade die für die Genehmigungsbehörden großenteils zuständigen UmweltministerInnen tragen für diese Genehmigungspraxis die Verantwortung. Dementsprechend müssen sie auch den durch beantragte Anlagen betroffenen Dritten die Anerkennung eines Rechtsansspruches auf Schutz vor Schäden und Risiken verweigern.
Zwischen dieser Auffassung und der jetzt in Gesetzesvorschlägen gegossenen Vorstellung, nach der die Behörden nur noch als Dienstleister für Investoren zu fungieren haben, gibt es keinen wesentlichen Unterschied. Die mit der in den Verfahren bisher praktizierte Mißachtung der Rechtsansprüche der BürgerInnen auf Schutz mußte zwangsläufig zu Gesetzentwürfen der vorliegenden Art führen. Mit den Gesetzentwürfen wird nur konkretisiert und klargestellt, welchen Stellenwert die PolitikerInnen den Rechtsansprüchen der Bevölkerung auf Schutz, welchen Stellenwert sie dem Umweltschutz einräumen – nämlich keinen!
Wenn die BundesumweltministerInnen ihren Beschluß, für den Erhalt von Bürgerbeteiligung und Umweltschutz eintreten zu wollen, ernst meinen, dann werden sie nicht umhin können, die bisher praktizierte Rechtsauffassung zu überdenken.
Dabei sollten sie sich die relevanten Artikel des Grundgesetzes vor Augen führen. Da findet man verankert die Würde des Menschen (Artikel 1) und das Recht auf Leben und Gesundheit (Leben und körperliche Unversehrtheit, Artikel 2) als geltendes Recht, dem die PolitikerInnen unmittelbar verpflichtet sind. [...] Nur unter Berufung auf die Grundrechte der BürgerInnen kann der herrschenden Auffassung vom Rechtsanspruch auf Umweltzerstörung, der jetzt noch eine weitere gesetzliche Absicherung erhalten soll, entgegengetreten werden. Traute Kirsch, Landesvorstand
BUND, Beverungen
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