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Der Orden des Sonnentempels: „Der Tod ist eine reine Illusion“

Die Lehre des als Geheimbund organisierten Ordens der Sonnentempler ist eine krude Mischung aus christlichen Ritualen, biblischen Apokalypsezitaten, Rittersagen, dem Marienkult, Astrologie und chinesischer Medizin. Die Schweizer Beratungsstelle für Sekten- und Kultfragen „infosecta“ beschreibt den ideologischen Hintergrund der Sonnentempler als eine esoterisch-gnostische Mischung von rosenkreuzerisch- theosophischen Lehren und größenwahnsinnigen Kreuzrittermythen. Mit dieser Ideologie hätten sich die Sektenführer ein Instrument geschaffen, um in den Mitgliedern den Glauben an ein Allheilmittel gegen den angeblich drohenden Weltuntergang zu stärken. Mit stundenlangen Ritualen und okkulten Messen sollen die Auserwählten auf ihren Übertritt in eine neue Wirklichkeit vorbereitet werden. „Es gibt den Tod nicht, er ist eine reine Illusion“, heißt es in Dokumenten, die im Nachlaß der jünsten Sektenopfer gefunden wurden.

Zentrale Figur der Sekte war bis zu seinem Ableben im Oktober 1994 der damals 70jährige Frankokanadier Joseph Di Mambro, ein angeblich Wiedergeborener der mittelalterlichen Bruderschaft „Rose und Kreuz“. Gemeinsam mit dem 1947 geborenen Belgier Luc Jouret führte Di Mambro den Orden mit eiserner Hand. Die Sonnentempler mußten ihre Ersparnisse der Sekte überlassen und die Bindungen zu ihren Familien lösen. Grundlage der internen Ordnung ist eine Ordensregel mit 48 Artikeln, die Philosophie, Aufbau und Zeremonie der Sekte sowie Pflichten und Verhaltensweisen ihrer Mitglieder bis ins kleinste Detail vorschreibt. Den Sonnentemplern wird strikte Geheimhaltung abverlangt. Di Mambro, Jouret und andere Führungsfiguren preßten im Laufe der Jahre mindestens 24 Millionen Mark aus den Sektenmitgliedern.

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