Wir hatten 12 Leipziger an Bord

■ „Da hab' ich gerechnet und ja gesagt.“ (Günther Borst)

„Die Bibliothek haben wir noch nicht gesehen“, sagt eine junge Frau aufgeregt. Worauf er gelassen antwortet: „Ach, hier kommst du doch gar nicht zum Lesen.“ Der Dialog, in schönstem Sächsisch, ist einfach nicht zu überhören. Bei Piña Colada und karibischen Rhythmen liege ich auf dem sun deck und stimme mich auf eine einwöchige Kreuzfahrt ein.

Die „Zenith“ gehört zur Fünf- Sterne-Flotte der amerikanischen Reederei Celebrity Cruises. Ihre Maße sind üppig: Sie hat 47.500 Bruttoregistertonnen, mißt 207 Meter in der Länge und 29 Meter in der Breite und faßt auf neun Decks 1.374 Passagiere. Daß ich mich hier unter kreuzfahrtbesessenen Amis wiederfinden würde, war mir ja klar. Daß ich aber so viele Deutsche treffe, 220 genaugenommen, noch dazu aus den neuen Bundesländern, erstaunt mich denn aber doch. Der Speisesaal reserviert eine Sektion nur für sie, auch Menükarte und Personal geben sich deutschfreundlich.

Flitterwöchner sind an Bord, ein Ehepaar feiert hier ihren zehnten Hochzeitstag, und eine Dame bekam von ihren Kindern die Kreuzfahrt als Geschenk zum Siebzigsten. Und auch Günther Borst aus Leipzig ist mit von der Partie. Er ist 57, seit einem Jahr verwitwet und arbeitet im Krankenhaus. „Ich wußte nur, daß ich gern nach Amerika wollte. Wissen Sie, das Fernsehen hatte diese Sehnsucht geweckt.“ Als sein Reisebüro ihm eine Woche Hotelaufenthalt in Miami Beach und eine Woche auf der „Zenith“ für 2.199 Mark anbot, „na, da hab' ich gerechnet und ja gesagt“.

Allein zwölf Leipziger haben ja gesagt. Kein Wunder bei dem Schnäppchenpreis. Offiziell kostet eine Woche Kreuzfahrt an den Sparterminen mindestens 2.899 Mark. Hinzu kommen die Getränke. Das heißt, wer auf Alk verzichtet, braucht keine dicke Geldbörse. Denn zu allen Mahlzeiten gibt es Eiswasser, Eistee, Kaffee und Tee gratis. Sogar bei der nachmittäglichen Tea-time kann man sich den Bauch vollschlagen, mit Lachshäppchen oder Kuchen, je nach Gusto.

„Also, ich könnte auf Dauer hierbleiben. Ich würde natürlich dick werden“, sinniert eine üppige Blondine. „Der Willi hat in einer Woche schon 13 Kilo drauf.“ Kontert ihr Begleiter: „Der wog ja eh schon 100 Kilo.“ Die üppigen Mahlzeiten sind und bleiben Gesprächsthema Nummer eins. Alle stöhnen ob der Fülle, plündern aber dennoch das Mitternachtsbuffet wie ausgehungerte Wölfe. Es ist ja so verlockend angerichtet. Dabei haben wir gerade zum Dinner fünf Gänge oder mehr verspeist.

Möglichkeiten zum Verlust der Pfunde gibt's genug. Das morgendliche Jogging auf dem Sonnendeck, der Olympic Health Club für's harte Body-Training, zwei Pools und nicht zuletzt die Disco, wenn die Showtime vorüber ist und die Dollars im Casino verspielt sind.

Elke Backert