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■ Ein Beschäftigungspakt muß den Betrieben gerecht werdenVirtuelle und reale Politik

Es gibt zwei Arten von Sozialpolitik: Erstens die virtuelle Politik, die Schlacht der Pressemitteilungen und vermeintlichen Exklusivinterviews in den Medien. Und zweitens die reale Politik in den Betrieben, wo es um Jobs und anständige Bezahlung geht. Auf der virtuellen Ebene ist es so: Je ausgefeilter und schneller die Presseabteilungen der Interessenvertreter agieren, je heftiger der Schlagabtausch über die Arbeitslosigkeit wirkt, desto weniger wird durch diesen Schlagabtausch tatsächlich in Gang gesetzt. Genau diese Dynamik muß sich ändern, soll die Debatte über einen „Beschäftigungspakt“ die Öffentlichkeit nicht weiter enttäuschen.

Das jüngste Beispiel: Erst hat IG-Metall-Chef Zwickel Lohnverzicht für mehr Jobs in Aussicht gestellt. Die zusätzlichen Jobs zumindest in der Metallindustrie wird es aber 1996 nicht geben. Also zog Zwickel den nicht ganz taufrischen Vorschlag mit dem Freizeitausgleich für Überstunden aus der Tasche. Wohl wissend, daß die Arbeitgeber natürlich nicht bereit sind, Überstundenzuschläge erstens auszuzahlen und zweitens im Gegenzug für den Freizeitausgleich neue Mitarbeiter einzustellen. Die Arbeitgeber lehnen die Zwickel-Vorschläge ab und sind in den Medien dadurch in der Defensive. In den Betrieben aber haben sich die Verhältnisse längst umgekehrt. Im Osten sind nichttarifliche Verhältnisse und damit Lohnverzicht längst Realität, um Jobs zu retten. Und auch in einigen Westunternehmen, beispielsweise bei Batterie-Herstellern, wurde gerade der Lohn gedrückt. Statt der 35 haben die Beschäftigten 38 Stunden zu arbeiten. Geld ist eben nicht moralisch.

Die Realität in den Betrieben und bei der Jobsuche sind für die Betroffenen von Belang, diese Wirklichkeit muß auf den Verhandlungstisch: Welche Möglichkeiten könnten Unternehmen eingeräumt werden, um auf betrieblicher Ebene Lohnverzicht an mehr Beschäftigung zu koppeln? Gäbe es die Möglichkeit von Öffnungsklauseln für „Beschäftigungsschaffungs-Verträge“? Wäre es ketzerisch, einem Unternehmen im Falle von garantierter Mehrbeschäftigung einen teilweisen Verzicht auf die Überstundenzuschläge einzuräumen? Bei Öffnungen für neue betriebliche Lösungen müßten die Verbandsvertreter allerdings auch die Grenzen flächendeckender Vereinbarungen thematisieren. Eine komplizierte, wenig medienwirksame Debatte. Aber die Jobsuchenden und die Beschäftigten haben ein Recht auf Nachrichten, die am Ende doch mehr mit der eigenen Wirklichkeit zu tun haben. Barbara Dribbusch

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