Nackte Herren, quietschende Damen

■ Die Enthüllungsgaranten Crazy Boys machen auch bekleidet was her Von Nele-Marie Brüdgam

„Willkommen im Crazy Boys, die Crazy Boys sind tolle Boys!“: Pierre, der Conférencier, ist von Anfang an dabei. Elf Jahre, fünf Abende pro Woche, jeweils drei Shows: nacktes Herrenfleisch, quietschende Damen. Nicht nur zur Jahreswende ist Deutschlands einziges Männer-Striptease-Lokal mit uneingeschränkter Enthüllungsgarantie gut besucht. So um die 70 Zuschauer – zumeist -Innen – drängeln sich in dem rot-plüschigen Kabarett um die Plätze mit bester Sicht auf knackige Hintern. Und Pierre wünscht „gute Unterhaltung mit sieben internationalen Darstellern!“

Raúl aus Venezuela, Bruce aus Frankreich, Pony aus Kanada ... Tatsächlich sind die Jungs aus aller Welt nach St. Georg gekommen. Doch so verschieden ihre Herkunft, so ähnlich gestaltet sich ihr Lebensweg: Alle haben irgendwann mal einen ,richtigen' Beruf ausgeübt, bis sie das Fernweh packte. Außerdem kann man mit einem ,perfekten' Körper und hartem Fitneß-Training eben mehr Geld verdienen, als zum Beispiel Pony es sich als KFZ-Mechaniker erträumt hätte.

Marc aus Leipzig ist gelernter Dreher und seit vier Monaten bei den Crazy Boys. Dort wird der 27jährige als Naturtalent gehandelt, und wenn er als Weihnachtsmann verkleidet Marzipan-Pimmel im Publikum verteilt, bestätigt das einstimmige „AUS-ZIEHN! AUS-ZIEHN!“ seinen hohen Marktwert.

Den großen, etwas mager geratenen Stripper mit dem stetig auf ,verführerisch' eingestellten Blick stellt Pierre als „Marc aus Hamburg“ vor – eine Konzession an Heimatverbundene. „Die Besucher wünschen solche Identifikationsmöglichkeiten mit den Darstellern“, erklärt Dyona Lorr, der seit vier Jahren Regie führt. Und Marc selbst ist das nur recht, denn „wie man hier als Ossi angesehen wird, das ist doch echt beschissen!“

Noch 1988 flüchtete er aus der DDR und machte erstmal eine berufliche Fortbildung. Daß an den Ratschlägen seiner neuen Freunde – „mit Deinem Körper kannst Du gutes Geld verdienen“ – etwas dran war, merkte er schnell. „Da hab ich dann ein paar Fotos gemacht, als Aktmodell und so.“

Jetzt hat Marc sich aufs 'satirische Strippen' spezialisiert und führt dem jauchzenden Publikum auch als Papst seine persönlichen Heiligtümer vor. Der Papst is'n Hammer, ist enorm auf Zack, dröhnt dazu Udo Lindenberg aus den Lautsprechern, benedictum, benedactum, jetzt läuft hier wieder alles nackt rum. Bei seiner Ehrenrunde durch den Saal ist nur Marcs Allerheiligstes bedeckt – mit einem goldenen Papp-Kreuz, das natürlich auch fallen muß, und wenn er das sieht, der Heilige Vater, dann macht er Theater.

Richtiges Theater hat es deshalb bisher nicht gegeben, und es würde Marc auch wundern. „Das hier ist ein Kabarett! Das steht sogar draußen dran,“ sagt er und ist stolz darauf, daß die Idee zur Papst-Nummer von ihm kam. Seine Mutter hat ihn übrigens auch schon am neuen Arbeitsplatz besucht: „Die fand's ganz gut. Ich muß mich für überhaupt nichts schämen!“

Kollege Mays aus New York spricht zwar nicht von Scham, doch nach zehn Jahren in der Branche ist dem 32jährigen das Ausziehen „ganz ehrlich“ noch immer ein bißchen unangenehm. Deshalb und weil er leidenschaftlich gern tanzt, bezeichnet Mays sich als „strippender Tänzer“. Besonders in Deutschland sieht er seinen Beruf aber auch als gute Tat: „Die Leute hier sind so schrecklich verbissen, und ich liebe es, nachts endlich in fröhliche Gesichter zu sehen!“

Mit dem Strippen hatte Mays eigentlich nur angefangen, um sein Informatik-Studium zu finanzieren. Doch der jetzige Beruf ist ihm allemal lieber als im Büro zu hocken. Und bald hat er sein Ziel ohnehin erreicht: Genug Geld, um ein Haus zu bauen und mit der Freundin, einer Umwelt-Ingenieurin, eine Familie zu gründen.

Weil Mays so gut ankommt, hat er als einziger Crazy Boy einen unbefristeten Vertrag. Für die anderen ist das Stripper-Dasein zunächst auf acht Monate begrenzt, doch auch sie haben Zukunftspläne: Engagements in anderen Ländern, Berufsausbildungen, Kinder, ein geregeltes Leben. Und schon jetzt ist ihr Alltag wenig spektakulär. So unterhalten sich die Kollegen in der Pause über Sport, Einkäufe und gelegentliche Ausflüge ins Grüne.

Wenn die sieben ganz gemütlich und vollständig bekleidet zusammen sitzen, könnte man ihnen glatt abnehmen, daß sie „einen ganz normalen Job“ machen. Erst Kellner Heiko, der frisches Mineralwasser bringt, erinnert an die Eigenarten des Etablissements: „Daß ich mal in so einem Laden lande, hätte ich nicht gedacht!“ Er ist erst seit kurzem dabei, „aber es macht echt Spaß! Nur wenn die Frauen dir bei der Arbeit auf den Po klatschen, das ist schon ungewohnt ...“