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US-Truppen rücken in Bosnien ein

■ Nach der Errichtung einer Behelfsbrücke über die Save hat die Stationierung der US-Soldaten begonnen

Berlin (taz) – Jetzt können die Boys kommen: Nachdem ein US-Pioniertrupp der Internationalen Friedenstruppe für Bosnien (Ifor) am Sonntag eine Pontonbrücke über die Save fertigstellte, ist nun die Verlegung des 20.000 Mann starken US-Kontingents aus Ungarn nach Nordostbosnien möglich. Bereits am ersten Tag der Inbetriebnahme überquerten 148 Fahrzeuge die Save. Während des Krieges waren alle Brücken über den Grenzfluß zerstört oder stark beschädigt worden. Mit dem Bau der 600 Meter langen Behelfsbrücke habe die US-Armee ihre größte vergleichbare Aktion seit dem Brückenbau über den Rhein bei Dormagen 1945 gestartet, hieß es aus dem amerikanischen Hauptquartier in Tuzla. Die USA stellen das größte Kontingent der 60.000 Mann starken Friedenstruppe.

Der Ankunft der US-Truppen in der Region Tuzla kommt große politische und militärische Bedeutung zu. Denn die schwimmende Brücke verbindet die kroatische Ortschaft Županja mit der bosnischen Ortschaft Orašje, die über dreieinhalb Jahre von kroatisch-bosnischen Streitkräften gegen die angreifenden serbischen Truppen gehalten worden war. Der Landstreifen um Orašje gehörte zu den am schärfsten umkämpften Gebieten in Bosnien-Herzegowina. Die serbisch- bosnischen Streitkräfte hatten während des gesamten Krieges versucht, den sogenannten Posavina-Korridor, der die Verbindung zwischen Belgrad und Banja Luka ermöglicht, zu verbreitern. Zugleich hatten sie den Großteil der muslimischen und kroatischen Bevölkerung vertrieben.

Im Friedensabkommen von Dayton wurde allerdings nicht eindeutig festgelegt, was mit dem serbisch besetzten Korridor geschehen soll. Versprochen wurde die Rückkehr der kroatischen und muslimischen Vertriebenen. Die Behörden hoffen, daß die von den US-Truppen kontrollierte Straße nach Tuzla bald auch für den zivilen Verkehr nach Kroatien geöffnet wird. Andererseits jedoch erhielt die serbische Führung bei den Verhandlungen in Dayton die Zusage, den Korridor weiter kontrollieren zu können. Und sie bestand darauf, daß russische Truppen der Ifor in den Korridor verlegt werden. Die russischen Truppen sind jedoch dem US-Kommando unterstellt.

Auch in anderen Teilen Bosniens ging die Umsetzung des Dayton-Abkommens planmäßig weiter. Ifor-Oberkommandierender Leighton Smith lehnte erneut eine Verschiebung der Übergabe der serbischen Stadtteile Sarajevos an die bosnische Regierung ab. Zwei Busse, die von französischen Ifor-Einheiten eskortiert wurden, erreichten am Samstag mit 75 Insassen Goražde. Es waren die ersten Zivilfahrzeuge, die nach Kriegsbeginn im April 1992 in die von serbischen Verbänden belagerte Stadt fuhren. Am Sonntag konnte dann der im Mai 1992 geschlossene Flughafen in Mostar wiedereröffnet werden.

Am gleichen Tag traf im Hafen der kroatischen Stadt Sibenik der deutsche Frachter „Bleichberg“ mit schwerem Gerät für die Pioniereinheiten der Bundeswehr ein. Heute sollen 478 weitere Bundeswehrsoldaten nach Kroatien verlegt werden. Bundesaußenminister Klaus Kinkel forderte, die Wiederaufbauhilfe für Exjugoslawien notfalls von der Strafverfolgung der Kriegsverbrecher abhängig zu machen. Unter Verweis auf das Dayton- Abkommen verlangte er indirekt die Amtsenthebung des Serbenführers Radovan Karadžić und seines Oberbefehlshabers Ratko Mladić. Erich Rathfelder

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