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Lohndrücker Murmann

■ Arbeitgeberpräsident provoziert mit der Forderung nach einem Mindestlohn unter Tarifniveau die Gewerkschaften

Köln (dpa) – Arbeitgeberpräsident Klaus Murmann hat vorgeschlagen, die bisher weitgehend festen Tarifeinkommen durch einen teilweise variablen „Drei-Säulen- Lohn“ zu ersetzen. Als Grundelement sollten die Arbeitnehmer ein festes Mindestentgelt erhalten, das aber unter den heutigen Tariflöhnen liegen müsse. „Hinzu kommen ertragsabhängige Sonderzahlungen und schließlich eine individuelle Leistungszulage, über die das Unternehmen je nach Arbeit des Beschäftigten entscheidet“, sagte Murmann gegenüber der dpa.

Die Bezahlung der Beschäftigten müsse leistungsorientierter werden als bislang. Es sei ungerecht und leistungsmindernd, wenn alle den gleichen Lohn erhielten, „egal ob sie gut oder schlecht gearbeitet haben. Fleißige Mitarbeiter sollten mehr Geld, faule dagegen weniger erhalten“, sagte Murmann.

Drittes Element seien die Sonderzahlungen, also Weihnachts- und Urlaubsgeld. Diese sollten an die Ertragslage gekoppelt werden. „In schlechten Zeiten gibt es weniger, in guten Zeiten wird das Geld dann nachgezahlt.“ Eine solche Regelung könnte Entlassungen vermeiden, meinte der Arbeitgeberpräsident. Derzeit hätten die Unternehmen in schlechten Zeiten als einziges Ventil den Stellenabbau, um die Kosten zu senken. Das sei ein fataler Mechanismus.

Murmanns Vorschläge werden von den Gewerkschaften einhellig abgelehnt. Murmann versuche mit den Plänen „die Wiedereinführung unternehmerischer Willkür“, sagte der Sprecher des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Mecklenburg-Vorpommern, Michael Rittmeier. Auch die IG Chemie-Papier-Keramik, die IG Medien und die IG Metall erteilten dem Modell eine deutliche Absage.

Der Sprecher der IG Metall, Jörg Barczynski, wies Murmanns Vorschlag als „ebenso alt wie reaktionär“ zurück. Der Arbeitgeberpräsident wolle lediglich Tarifverträge aufweichen und den Arbeitnehmern das garantierte Einkommen stehlen. Barczynski sagte, individuelle Leistungszulagen gebe es bereits. Im Gegensatz zu Murmanns Vorstellungen entscheide darüber aber die Unternehmensleitung nicht alleine, sondern der Betriebsrat habe ein Mitbestimmungsrecht. Die Ertragsabhängigkeit einzelner Bestandteile des Lohnes sei zudem auch aus Unternehmersicht nicht gewollt, erklärte der IG-Metall-Sprecher. Die Metallarbeitgeber etwa würden die Idee weit von sich weisen, daß die Arbeitnehmer eines gut verdienenden Unternehmens „noch einmal richtig zulangen“ dürften, während ein schlecht geführtes Konkurrenzunternehmen einen Lohnrabatt erhielte.

Hinter der Anregung stehe nicht die Absicht, das Entgelt gerechter zu verteilen, sondern das Lohnniveau insgesamt zu drücken, sagte der Sprecher der IG Medien, Hermann Zoller. Die Arbeitgeber könnten schon jetzt über den Tarifvertrag hinaus differenzieren und besonders leistungsfähigen Mitarbeitern mehr Lohn geben.

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