: Nach CDU-Wahl: Der Riß geht quer durch die Basis
■ „Bündnis Mitte“ nach der Wahl von Zeller im Streit. BI droht mit Austritt
Innerhalb von 20 Minuten machte das „Bündnis Mitte“ am 14. Dezember Bundeskanzler Helmut Kohl zum glücklichen Menschen. Im letzten Moment ließ man sich mehrheitlich auf eine Zählgemeinschaft mit SPD und CDU ein und kürte statt der PDS-Kandidatin Sylvia Jastrzembski den bisherigen CDU-Gesundheitsstadtrat von Mitte, Joachim Zeller, zum neuen Bürgermeister von Mitte.
Der Kanzler jauchzte, doch Teile der Basis des „Bündnis Mitte“ – ein Zusammenschluß von Bündnis 90/Die Grünen und mehreren Bürgerinitiativen und Betroffenenvertretungen im Bezirk – rieben sich verwundert die Augen. Die Bürgerinitiative Luisenstadt mit der Baustadträtin Dorothee Dubrau an der Spitze distanzierte sich kurz vor Jahresende von dem „Abstimmungsverhalten der Fraktionäre“ und droht nun damit, aus der Wählergemeinschaft auszutreten. Aber auch Mitglieder der BI Spandauer Vorstadt äußerten ihr Unbehagen.
Den Silversterrausch kaum ausgeschlafen, traf sich das Bündnis am Dienstag abend zur Aussprache. Die Meinungen zur Wahl des CDU-Bürgermeisters gehen im Bündnis Mitte weit auseinander, der Riß geht quer durch die Basis. „Wählerbetrug!“ schimpft Frank Eberhardt von der Bürgerinitiative Luisenstadt, schließlich habe das „Bündnis Mitte“ den politischen Wechsel im Bezirksamt Mitte angestrebt. Die im letzten Sommer auch mit Hilfe von Joachim Zeller entmachtete Baustadträtin Dorothee Dubrau warf ihren Bündniskollegen vor, blauäugig eine CDU-Achse Kohl-Diepgen- Zeller etabliert zu haben. Dubrau hatte als einziges Mitglied von Bündnis Mitte in der BVV gegen Zeller gestimmt.
Frank Bertermann, der den Zeller-Coup für das Bündnis Mitte eingefädelt hatte, räumt Fehler im Vorfeld der Bürgermeisterwahl ein, hält den „integren“ CDU- Mann aber weiterhin für das kleinere Übel, zumal eine CDU-Politik angesichts dreier PDS-Stadträte im Bezirk nicht durchsetzbar sei. Sein Wahlziel habe das Bündnis erreicht: Sowohl Gerhard Keil als auch Sylvia Jastrzembski konnten als Bürgermeister verhindert werden. Doch während sich das Bündnis mit der PDS bereits in einem mehrseitigen „Konsenskatalog“ auf „politische Arbeitsschwerpunkte“ geeinigt hatte, gab es mit der CDU bislang keine inhaltlichen Gespräche.
Für Uwe Dähn, bündnisgrünes Mitglied im Abgeordnetenhaus aus dem Bezirk Mitte, war die Wahl Zellers dennoch die am wenigsten schlechte Lösung. Die Weigerung der PDS, statt der ehemaligen SED-Funktionärin einen für die Bündnisgrünen akzeptablen Kandidaten zu präsentieren, nennt er schlicht „Erpressung“. Schließlich sei das Bündnis Mitte nicht „die Kampfreserve der PDS“.
Gerüchte jedoch, daß die Wahl Keils zum Baustadtrat sowie die Verhinderung einer Stadträtemehrheit zu den Absprachen der Zählgemeinschaft gehörten, dementiert Frank Bertermann energisch. Keil werde vom Bündnis Mitte nicht zum Stadtrat gewählt. Könne die PDS „qualifizierte Kandidaten“ präsentieren, werde das Bündnis Mitte der PDS zur Mehrheit im Bezirksamt verhelfen. Dorothee Dubrau blieb allerdings skeptisch; sollte Gerhard Keil zum Stadtrat gewählt werden, will sie ihre Drohung wahr machen und das Bündnis Mitte verlassen. Christoph Seils
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