: Großstadtcowboy
Er raucht weniger als früher, ein Päckchen morgens, eins am Nachmittag und ab acht den Rest der Stange. Jim Jarmusch hätte sich das Rauchen längst abgewöhnt. Doch der Qualm ergänzt das schlohweiße Haar des 45jährigen recht vorteilhaft.
Zwischen Hippietum und Punk begnügte sich Jarmusch mit Filmemachen. „Permanent Vacation“, sein Debüt von 1980, trieb ziellos durch New Yorker Lofts, in denen Männer in Unterhemden Saxophon spielten. „Stranger Than Paradise“ war mit ähnlichem Personal bestückt und wurde die Nr. 1 des Independent-Kinos. Zwei Freunde, die sich um abgepackte TV-Dinner streiten, reisen an den winterlichen Erie- See. Die Fahrt ist schön, sonst passiert wenig. Weitere Road- Movies folgten: „Down by Law“ (1986), drei Jahre später „Mystery Train“ und 1991 „Night on Earth“. Besonders Europäer scheinen sich für das karge Amerika zu begeistern, in dem alle Ausländer sind und fremd. Mit Folgen: Anfang der 80er Jahre spielt Jarmusch in Lothar Lamberts Low-Budget- Film „Fräulein Berlin“, trinkt Whiskey im Berliner „Kumpelnest“ und prostet den Transen zu. Zehn Jahre später reist er mit Sam Fuller zum Amazonas, um für Mika Kaurismäkis „Tigrero“ als Cowboy durch den Urwald zu staksen. Zuletzt stand er für Wayne Wangs „Blue in the Face“ vor der Kamera (Besprechung S. 17). Auch dort wird gern geraucht und die schönsten Beine hat RuPaul, ein Mann in Strumpfhosen und High Heels.
In seinem neuen Film „Dead Man“ verlagert Jarmusch die Apathie des kleinen Mannes in den Wilden Westen. Bill Blake (Johnny Depp) reist in das Industriekaff Machine, um Buchhalter zu werden. Doch der Job ist längst vergeben, und die schönste Dame des Städtchens auch. Es kommt zu Eifersucht und Schießereien, plötzlich hat Blake den Sohn des örtlichen Kapitalisten (Robert Mitchum) erschossen und drei Kopfgeldjäger an den Fersen. Eine Kugel hat ihn selbst tödlich in die Brust getroffen, und so halluziniert er sich, vom zartfühlenden Indianer Nobody (Gary Farmer) begleitet, allmählich Richtung West Coast Pacific ins Nirvana. Das Ganze wurde von Wenders-Kameramann Robby Müller stilsicher in Schwarzweiß gedreht und mit der kreischenden Slide-Gitarre Neil Youngs unterlegt. Ein Western in Zeitlupe: Selbst die Menschen schweben beim Showdown mehr zur Erde, als daß sie fallen. hf
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