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CompuServe ist nur der Anfang

Frau Saubermann hat gründlich zugeschlagen: Zum Jahreswechsel wurden nicht nur alle Newsgroups vom CompuServe- Rechner gelöscht, die mit alt.sex oder alt.binaries.pictures beginnen. Man hat man auch gleich die Diskussionsgruppen der Lesben und Schwulen von der Platte geputzt. Prima, Jungs, weiter so! Das ist genau die antiseptische Atmosphäre, auf die wir im globalen Dorf schon lange warten.

Daß dabei deutsche Staatsanwälte ihre Finger im Spiel haben, ist kein Zufall. Es muß ein schrecklicher Gedanke in ihren Köpfen sein, daß es ein Massenmedium gibt, das keinerlei staatlichen Kontrollinstanzen unterliegt. Also müssen Gesetze her, die vorschreiben, was erlaubt ist und was nicht. Um sie im Parlament und vor allem in der Öffentlichkeit durchsetzen zu können, bedarf es im Vorfeld einiger Strategien. Das Rezept ist einfach: Man nehme ein paar spektakuläre Einzelfälle, ein paar geschickt lancierte Pressemeldungen, einen Bericht, ein Interview bei Nina Ruge – und schon steigen die Emotionen hoch und damit die Bereitschaft zu weiteren Kontrollmöglichkeiten. Das hat schon beim Großen Lauschangriff hervorragend funktioniert.

Als nächstes sucht man sich einen Internet-Provider und macht eine medienwirksame Hausdurchsuchung. Keinen von den kleinen, das würde versanden. Auch nicht die Telekom, die steckt mit Hotlines und Schmuddel-Btx selbst so tief im Sexgeschäft, daß man schwerlich Gut und Böse unterscheiden könnte. CompuServe ist ideal, von pornographischen Inhalten völlig unbelastet. Man konnte davon ausgehen, daß der Online-Dienst aus Columbus/ Ohio mit Einwählknoten in allen größeren deutschen Städten mitspielt. Harten Sex hat es bei CompuServe noch nie gegeben, und Kinderpornographie schon gar nicht.

Und so kam es, wie es kommen mußte: CompuServe hat im Einvernehmen mit der Münchner Staatsanwaltschaft alles abgeklemmt, was irgendwie nach Sex aussah. Sehr medienwirksam und genau zum richtigen Zeitpunkt. So kurz nach Weihnachten sind die Leute für solche Themen sensibilisierbar.

Aber CompuServe ist nicht das Internet, und das ist gut so. Wenn das globale Dorf, der Cyberspace oder welche Metapher man auch immer benutzen möchte, für alles und jeden offen sein will, wird man nach Wegen suchen müssen, mit so extremen Auswüchsen wie Kinderpornographie umzugehen. Münchener Staatsanwälte und Manager von kommerziellen Online-Diensten sind dafür nicht zuständig und werden es hoffentlich auch nie sein.

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