: Träume vom virtuellen Klassenzimmer
■ Insgesamt 5.000 Computer werden zur Zeit im Unterricht eingesetzt. Der Trend geht zu multimedialen High-Tech-Anlagen. Die Wirtschaft hält sich beim Sponsoring jedoch zurück
Der Umgang mit Computern ist an Berliner Schulen längst eine Selbstverständlichkeit. Die Schulverwaltung bietet seit über 20 Jahren informationstechnische Bildung. Bereits 1973 wurde mit dem Fach Informatik an Gymnasien begonnen. Seit 1985 gibt es auch die Informationstechnische Grundbildung (ITG), die an allen Oberschulen Pflichtfach ist.
Zur inhaltlichen und organisatorischen Beratung der mit Computern arbeitenden Lehrer wurde 1993 in der Landesbildstelle die „Beratungsstelle für informationstechnische Bildung und Computereinsatz in Schulen“ (bics) eingerichtet. Hier werden Fortbildungen für Lehrer angeboten und die Schulen bei Neuanschaffungen beraten. An 657 der fast eintausend Berliner Schulen stehen insgesamt 5.000 Computer zur Verfügung, davon sind über 2.000 vernetzt. Etwa 80 Schulen haben über Modem zudem Zugang zum Offenen Deutschen Schul-Netz (ODS), über das Schüler und Lehrer Informationen mit Schulen in ganz Deutschland austauschen können. Teilnehmer des Netzes können hier Post über E-Mail austauschen und in themenspezifischen Diskussionsforen Beiträge schreiben und lesen.
Im Rahmen der Städtepartnerschaft wurde im Oktober 1994 für 30 Schulen eine spezielle Verbindung mit Los Angeles eingerichtet. Über Electronic Mail findet so ein interkultureller Austausch mit amerikanischen Partnerschulen statt.
Eingebettet in Unterrichtsfächer wie Deutsch, Erdkunde und Fremdsprachen kann mit kalifornischen Schulklassen über Freizeitverhalten, Gewalt in der Schule, Immigrationsprobleme oder aktuelle politische Themen diskutiert werden. Auch ein transatlantisches Theaterstück wurde bereits produziert. Das derzeitige Glanzstück der elektronischen Vernetzung ist jedoch das zu Beginn des laufenden Schuljahrs gestartete Comenius-Projekt.
Erstmals wurden in Deutschland per Glasfaser fünf Schulen mit einer Datenzentrale in der Landesbildstelle verbunden. Dort kann ein umfangreiches Angebot an Text-, Ton- und Bilddokumenten, Filmen, Musikstücken und Computerprogrammen abgerufen werden. Jürgen Kanzow, Geschäftsführer der DeTeBerkom (Tochterfirma der Telekom, die das Projekt unterstützt) schwärmte anläßlich der Vorstellung des Projekts von einem „virtuellen Klassenzimmer, das einen Unterricht über den realen Klassenraum hinaus ermöglicht“. Mit Hilfe von Comenius können sich Schüler und Lehrer beschwerliche Wege durch die Stadt von Charlottenburg nach Hellersdorf ersparen und statt der direkten Kommunikation per Konferenzschaltung über den Bildschirm reden.
Schulsenator Jürgen Klemann (CDU) denkt darüber hinaus und träumt von einer kompletten Neuausstattung der Schulen mit multimedialen Rechnern. Dabei ist noch nicht einmal die Finanzierung des Projektes nach der Versuchsphase gesichert. Daher bedauert Klemann das zurückhaltende Engagement der Computerhersteller. „Es ist an der Zeit, daß die Wirtschaft stärker als bisher in die Computerausbildung an Schulen investiert und nicht nur dem Staat die finanziellen Lasten überläßt. Immerhin dienen derartige Bildungsinvestitionen künftig auch den Unternehmen selbst sowie der Erschließung weiterer Märkte.“ Diese aber sehen die Firmen offenbar nicht an den Schulen.
Nach Angaben von Siemens- Sprecher Wittke will der Elektronikriese trotz vieler Anfragen nichts verschenken. Siemens verzichtet auf Großaktionen und beschränkt sich auf die Unterstützung von sechzehn Partnerschulen in Berlin und Brandenburg. Dabei ginge es immer wieder um die Ausstellung von Computerhardware, aber auch Schulungsangebote wie Praktika für Schüler und Lehrer würden angeboten.
Übereifrige Schenkungen können zudem problematisch werden. Nach einem Spendenaufruf des Spiegel etwa mußten sich die Informatiklehrer mit Händen und Füßen gegen den Elktroaltschrott wehren, der in den Schulen endgelagert werden sollte. So wird es auch im Computerzeitalter noch dauern, bis Schüler und Lehrer auf den Weg zur Schule verzichten können und der Unterricht über Datenautobahnen am heimischen Schreibtisch durchgeführt werden kann. Gereon Asmuth
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen