: Bombenstoff aus Rußland
EU-Kommission und fünf Mitgliedsländer planen Verhandlungen mit Rußland über die Lieferung von hochangereichertem Uran ■ Aus Brüssel Christian Rath
Die europäischen Regierungen wollen bei der Beschaffung von hochangereichertem Uran für ihre Forschungsreaktoren nicht mehr von den USA abhängig sein. Ins Geschäft kommen will man mit Rußland, das bombenfähiges Uran in großen Mengen vorrätig hat. Nach einem Bericht der in Brüssel erscheinenden Wochenzeitung European Voice plant die EU- Kommission gemeinsam mit den interessierten Mitgliedstaaten (Deutschland, Frankreich, Großbritanien, Niederlande und Belgien) Gespräche mit dem russischen Atomenergieministerium aufzunehmen. Beteiligt werden sollen auch Vertreter der Reaktorbetreiber.
In der Bundesrepublik ist von diesen Plänen vor allem der bayerische Forschungsreaktor Garching II betroffen, gegen dessen Inbetriebnahme mit hochangereichertem Uran die US-amerikanische Regierung mehrfach protestiert hat. Die USA selbst hat den Gebrauch von bombenfähigem Uran in ihren Forschungsreaktoren gestoppt. Auch der Export dieses Materials wurde eingestellt, um die Weiterverbreitung von Kernwaffen zu verhindern.
Die europäisch-russischen Uran-Verhandlungen sollen, so European Voice, bereits Ende Januar oder Anfang Februar beginnen. Zuvor soll eine gemeinsame Position von Kommission und den fünf Mitgliedstaaten festgelegt werden. Eine Beteiligung des EU- Ministerrates und damit der anderen EU-Staaten ist im Euroatom- Vertrag nicht vorgesehen. Sollten tatsächlich Verträge zustande kommen, würden sie zwischen den einzelnen Reaktorbetreibern und dem russischen Atomenergieministerium abgeschlossen.
Eine Gegenzeichnung durch die EU-Kommission wäre aber erforderlich, so daß diese schon im Vorfeld Bedingungen stellen kann. Genannt werden die Beschränkung auf „friedliche Nutzung“ des Urans, internationale Kontrollen und gesicherter Transport. Ein Weiterexport des Bombenurans soll nur möglich sein, wenn es im Drittland denselben Beschränkungen unterliegt. Aus Kreisen der Kommission wird der Bericht nicht bestritten.
Allerdings sei noch keineswegs sicher, daß es zu derartigen Gesprächen komme. Erforderlich sei ein entsprechender Beschluß der Kommission, die sich selbst in einer reagierenden Rolle sieht: „Wir sind uns bewußt, daß einige Mitgliedstaaten bereits derartige Ankäufe planen“. Gedacht sei nur an eine „koordinierende Rolle“.
Die Brüsseler Vertretung der Bundesrepublik zeigt sich uninformiert. „Diese Woche ist nur der Komissions-Entwurf für einen diplomatischen Notenwechsel mit Rußland auf den Tisch gekommen. Dort geht es aber ganz allgemein um die Genehmigung von Atomimporten, nicht um hochangereichertes Uran im speziellen.“
Das Bonner Wissenschaftsministerium verweist darauf, daß zum Thema „Garching“ bereits eine große Anfrage der bündnisgrünen Bundestagsfraktion eingereicht sei und man „aus Respekt vor dem Parlament“ derzeit keine Auskünfte geben wolle. Wegen der „ressortübergreifenden Komplexität“ des Themas sei erst im März mit einer Antwort zu rechnen. Dann hätten dem Bericht von European Voice zufolge die Verhandlungen mit Russland bereits begonnen.
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