: Für Reiter gilt kein Sparzwang
■ Ob Reiterstaffel oder Orchester – bei der Polizei können Millionen gespart werden
Polizisten sind Pferdenarren, von Fahrrädern halten sie nicht allzuviel. Für 127.000 Mark wurde vor einem Jahr für das Pilotprojekt „Polizisten auf Fahrrädern“ teures Räderwerk und Ausrüstung gekauft – aber seitdem kaum genutzt. Selbst die Polizeipressestelle nennt das Ergebnis der halbjährigen Testphase „durchwachsen“. Das Wetter sei schuld daran, daß sich so wenige Beamte aufs Rad geschwungen hätten. Dabei wurden neben 16 teuren Geländerädern luxuriöse Regen-Winterkleidung für 56 Beamte angeschafft. Stückpreis: 1.900 Mark.
Was den Nutzungsgrad angeht, dürfte der auch für die knapp einhundert Mann starke Reiterstaffel der Polizei kaum höher als bei der Fahrradabteilung liegen. Ob Fahrrad- oder Reiterstaffel – deren Effizienz sei „schwer an Fakten zu messen“, verteidigt der Leiter der Polizeipressestelle, Hans-Eberhardt Schultz, deren Daseinsberechtigung. Und die bestehe in erster Linie darin, präsent zu sein.
Ob nicht genutzte Fahrräder, Reiterstaffel samt Hufschmied, Tierarzt und teuren Pferdetransportern, eine polizeieigene Bauabteilung mit 150 Stellen, ein großes Orchester, personengebundene Fahrzeuge samt Kraftfahrer – nach Ansicht von Wolfgang Wieland, Fraktionschef von Bündnis 90/Die Grünen, gibt es bei der Polizei genug Einsparmöglichkeiten. Allein durch den Verzicht personengebundener Fahrzeuge könne man sechs Millionen Mark pro Jahr einsparen. Die Abschaffung der berittenen Polizei könnte eine Million Mark in die leeren Haushaltskassen bringen.
Mit Zähnen und Klauen verteidigt die Polizei ihre Mammutbehörde mit über 30.000 Beschäftigten. Ein Abbau würde die innere Sicherheit gefährden, heißt es. Bei den Koalitionsverhandlungen konnten sich CDU und SPD nur darauf verständigen, daß die Polizei zweitausend Stellen im Verwaltungsbereich einzusparen habe. Der Personalbestand der Schutzpolizei (etwa 16.000) und der Kriminalpolizei (knapp 3.000) soll nicht angetastet werden. Es sei denn, daß das Gutachten zur Polizeistrukturreform zu anderen Ergebnissen kommt.
Die seit Jahren geforderte Änderung der Schichtzeiten bei der Polizei spielte in den Koalitionsgesprächen keine Rolle. Wenn die Schichten von derzeit 12 auf 8 Stunden reduziert würden, so Wieland, könne man pro Jahr etwa 60 Millionen Mark einsparen. „Es ist nicht so, daß wir blind sind“, meint Wolfgang Wieland. „Wir sehen die neuen Herausforderungen.“ So sei die Kriminalpolizei ein Bereich, der von Kürzungen ausgenommen bleiben sollte.
Die Polizei selbst setzt auf effizientere Arbeitsabläufe und einen gezielteren Einsatz des Personals. Eine 13 Millionen Mark teure Untersuchung durch die Unternehmensberatung Mummert & Partner soll durch „filigranartige“ Untersuchungen „Feinstrukturen“ herausarbeiten und Arbeitsabläufe erleichtern, so der Leiter der Polizeipressestelle.
Eine Untersuchung, die für Wolfgang Wieland fünf Jahre zu spät kommt. „Das zeigt, daß Innensenator Dieter Heckelmann in fünf Jahren Große Koalition nichts vorangebracht hat“, so seine Kritik. Mit Blick auf die Verwaltungsreform sei das hinausgeschmissenes Geld, da die Untersuchung nicht die Brandenburger Polizei betreffe. Statt „Trott und Schlendrian zu verteidigen“, sollten die sieben Polizeidirektionen eigene Ressourcenkompetenzen erhalten, wie es in anderen Bundesländern wie beispielsweise in Bayern längst praktiziert wird.
Die wenigsten der über 30.000 Beschäftigten seien tatsächlich mit der Verfolgung von Straftaten befaßt, kritisiert Wieland. Die Schutzpolizei sei „ineffizient“ und setze falsche Schwerpunkte. Statt für 400 Millionen Mark ein neues Landeskriminalamt mit Wasserfall und hängenden Gärten zu bauen, „ein typisches Beispiel für Berliner Größenwahn“, so Wieland, fordert er eine dezentrale Polizeistruktur, sichtbare Präsenz der Polizei auf der Straße und flächendeckende Prävention. Vor dem Hintergrund, daß 22.000 Stellen im öffentlichen Dienst einzusparen sind, könne es auch nicht sein, daß alle Beamten der Polizei in den höheren Dienst versetzt werden, kritisiert Wieland. Barbara Bollwahn
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