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Neue Bosse ohne guten Rat

800 Förderprogramme sollen Firmengründern helfen, nur wenige greifen zu. Bürokratie und wenig Beratung von Hausbanken  ■ Aus Hamburg Hermannus Pfeiffer

Warum wollen Sie unbedingt bei uns in Hamburg ein Unternehmen gründen?“ fragte der Hamburger Senator Erhard Rittershaus (SPD) seine überraschten Zuhörer. „Mecklenburg oder Thüringen sind so schöne Länder“, schwärmt der oberste hanseatische Wirtschaftspolitiker, „und die brauchen nach vier Jahrzehnten Diktatur unsere Unterstützung.“ Die knapp 50 Aktivisten der „Hamburger Gründungswoche“ wirken leicht irritiert, schließlich wollen sie nicht den wilden Osten, sondern den Stadtstaat Hamburg mit einer neuen Firma beglücken.

Existenzgründer haben es in Deutschland auch ohne senatorische Querschläger schwer genug. Trotzdem suchen Jahr für Jahr Tausende Unentwegte ihre Chance. Und auf den ersten Blick steht es nicht schlecht um sie: 800 öffentliche Förderprogramme warten auf angehende Bosse! Vorrangig werden Kreditmittel gestellt oder Bürgschaften, nur selten gibt es direkte Zuschüsse. Generell gilt dabei die Regel, je mehr High- Tech und je mehr Öko, desto mehr Knete macht der Staat locker. Hilfreich für den Durchblick im Hilfewust kann die Beratung in einer Volksbank sein: Die Genossenschaftler überschauen mit ihrem Computerprogramm „Geno-Star“ die Förderprogramme aus Brüssel, Bonn und Kleinkleckersdorf – tagesaktuell.

„Aber die Möglichkeit, allein durch öffentliche Mittel zu finanzieren, ist selten“, freut sich Dieter Kloth von der Hamburger (Volks-)Bank; er leitet die dortige Kreditabteilung. An der Hausbank führt ohnehin kein Weg vorbei. Nur sie kann die öffentlichen Hilfen mobilisieren – beispielsweise einen Kredit der Deutschen Ausgleichsbank. Diese Bonner Staatsbank vergibt eigene Mittel und die altbekannten Marshallplan-Gelder! Solche öffentlich- rechtlichen ERP-Kredite („European Recovery Program“) bieten den Jungunternehmern eine vergleichsweise unbürokratische Bearbeitung, geringe Zinsen sowie eine lange Laufzeit – bis zu 20 Jahren; hingegen finanzieren private Banken den Maschinenpark maximal fünf Jahre lang.

Mit 15 Prozent Eigenkapital steht die Finanzierung bei der Ausgleichsbank. Von der investierten Viertelmillion könnten sich bis zu 213.000 Mark aus diversen Förderprogrammen anhäufen, berechnen die hanseatischen Volksbanker. 6.000 Mark Zuschuß und 207.000 Mark vergünstigte Kredite.

Zuwenig Zuschuß und die „Fördertöpfe quellen über“, wie Rüdiger Schiller von der Ausgleichsbank betont. Keine zehn Prozent der Neugründungen werden öffentlich gefördert. Unkenntnis oder die Angst vor den Verwaltungsmühlen lassen viele Existenzgründer zurückschrecken. Wenig Interesse an den billigen öffentlichen Krediten zeigt auch manche Hausbank. „Die Deutsche Bank hat mich zur Sparkasse um die Ecke geschickt“, klagte ein leicht ergrauter Existenzgründer auf der Hamburger Tagung: Die Vermittlung sei für die Großbank nicht lukrativ genug. Und auch Schiller beklagt, daß die Segnungen der Deutschen Ausgleichsbank von der Kreditwirtschaft zuwenig offeriert werden.

Noch schwerer im Bankenleben haben es echte Neuerer. „Es gibt keine angemessene Förderung für innovative Gründer“, bedauert Marianne Kulicke von der Fraunhofer-Gesellschaft in Karlsruhe. Obendrein fehlt es in Deutschland an „venture capital“: Solches Risikokapital beteiligt sich an innovativen Firmen, die für die Zukunft hinreichende Profite versprechen. Damit wurde die Generation von Bill Gates auf den Weltmarkt geführt; derweil versteckte sich der deutsche Risikokapitalmarkt in einer ökonomischen Nische.

Hilfreich für alle Existenzgründer kann dagegen das Angebot der Bürgschaftsgemeinschaft GmbH sein, einer Einrichtung von Land, Kammern und Geldgewerbe. Solch eine Institution arbeitet in jedem Bundesland. Fehlt es an Kapital und befreundeten Bürgen, die für einen Gründerkredit geradestehen, kann die Bürgschaftsgemeinschaft einspringen. Bis zu 80 Prozent des Kreditvolumens können über eine Bürgschaftsbank abgesichert werden, der Rest muß von der Hausbank getragen werden. Allerdings tragen mittelbar Bund und Land das größte Risiko.

Trotz 800 Förderprogrammen, trotz Marshallplan-Krediten und Bürgschaftsbanken, ohne privaten Bankkredit und hinreichendes Eigenkapital wird es nichts mit dem Boßsein. Und an solchem mangelt es vielen Firmengründern: „67 Prozent der insolventen Unternehmen verfügen über ein Eigenkapital von nur 50.000 bis 100.000 Mark“, analysiert die Deutsche Bank die häufigen Pleiten.

Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Letztlich fehlt es den Videoshops, Kneipen und Software- Schmieden vorrangig an Nachfrage! Das beste Produkt und die beste Dienstleistung taugen nichts, wenn die werte Kundschaft nicht kauft. 500.000 Menschen haben sich 1995 selbstständig gemacht. Etwa 380.000 davon werden wieder Pleite machen – vier von fünf Neugründungen.

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