: Drunter und Drüber beim HVV
■ Stadtbahn, Flughafen-S-Bahn und City-Bahn droht das Aus. Neuer HVV ohne Niedersachsen, aber mit neuem Chef aus Pinneberg Von Florian Marten
Heute um 11 Uhr wollen die Verkehrsminister Hamburgs und Schleswig-Holsteins, Eugen Wagner und Peer Steinbrück, ihre Unterschriften öffentlichkeitswirksam unter ein Vertragswerk setzen, welches den Hamburger Verkehrsverbund (HVV) im 31. Jahr nach seiner Gründung in eine lichte Zukunft führen soll. Anlaß ist die bundesweite ÖPNV-Regionalisierung zum 1.1.96, welche auch für den HVV neue Zuständigkeiten und Regelungen erzwang.
Während anderswo in Deutschland diese Regionalisierung für Bewegung und neue Verkehrsangebote sorgte – schließlich verfügen Länder und Gemeinden über deutlich mehr Nahverkehrsgeld als früher – geht beim HVV alles drunter und drüber. Die schlimmsten Befürchtungen scheinen sich zu bestätigen: Große Investitionsvorhaben werden aufgeschoben, die Integration Niedersachsens in den HVV verzögert sich, die neue HVV GmbH startet flügellahm.
Nach Informationen der taz ist die Wieder-Einführung der Straßenbahn in Hamburg (Stadtbahn) intern schon gestoppt. Auch die S-Bahn-Strecke zum Flughafen Fuhlsbüttel steht vor dem Schubladen-Exitus. Damit nicht genug: Weil Hamburg in den Vorverhandlungen über den neuen HVV die nordniedersächsischen Landkreise, die in der Vergangenheit aktiver als ihre schleswig-holsteinischen Pendants für einen besseren HVV kämpften, arrogant abkanzelte, ist der HVV zur Zeit ein Torso.
Dies kann fatale Folgen haben: Da künftig nicht mehr die Verkehrsunternehmen, sondern Städte, Kreise und Bundesländer den Nahverkehr organisieren, fehlt der künftigen HVV GmbH ein elementar wichtiger Partner. Das kann teuer werden: Schon heute konzentriert die Regierung Schröder fast alle ÖPNV-Mittel in der Region Hannover. Kommt es nicht bald zu einem Vertrag zwischen Hamburg und Niedersachsen, dürften Nahverkehrsmillionen unwiederbringlich aus der Region Hamburg verschwunden sein. Erste Warnsignale setzte inzwischen der Landkreis Stade: Er bedeutete dem HVV, daß er schon bald nicht mehr in der Lage sein könnte, den Kreiszuschuß für den StadtExpreß nach Hamburg aufzubringen.
Auch nach der heutigen Vertragsunterzeichnung weiß noch niemand so recht, wie der neue Verkehrsverbund arbeiten soll. Der noch hundertköpfigen HVV-Verwaltung, die auf 40 Menschen zusammenschrumpfen soll, ist bis heute völlig unklar, welche Aufgaben die neue GmbH als zentrale Organisationseinheit für den ÖPNV in der Region Hamburg erhalten soll und welche an die Verkehrsunternehmen abgegeben werden müssen. Eine entsprechende Geheimdrucksache wird von Wagner sorgsam unter Verschluß gehalten.
Wie das Ringen ausgeht, ist noch offen. Ein kleiner Hoffnungsschimmer jedoch erleuchtet den norddeutschen Nahverkehrstunnel: Peter Kellermann, bislang Chef der Pinneberger Verkehrsgesellschaft (PVG), eines der innovativsten und erfolgreichsten Verkehrsunternehmen Deutschlands, wird neuer HVV-Häuptling. Und er sprüht trotz aller Widrigkeiten vor gedämpftem Optimismus: „Ich freue mich über die großen Erwartungen an mich. Und ich sehe Möglichkeiten für einen gestärkten HVV.“
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