: Der Trick der Pillendreher
Die EU-Kommission verhängt gegen den Bayer-Konzern 6 Millionen Mark Bußgeld wegen Behinderung des europäischen Pharmahandels ■ Aus Brüssel Christian Rath
Bayer hat sich bei der Vermarktung seines äußerst erfolgreichen Herzmittels „Adalat“ nicht an die Spielregeln des gemeinsamen europäischen Marktes gehalten. Gestern verhängte die Europäische Kommission deswegen ein Bußgeld in Höhe von drei Millionen Ecu (sechs Millionen Mark) gegen den deutschen Chemiemulti. Das Vergehen der Leverkusener: In den Jahren 1988 bis 1992 hatten sie zahlreiche spanische und französische Großhändler von der Belieferung mit dem Herzmittel „Adalat“ ganz oder teilweise ausgeschlossen. Damit sollte verhindert werden, daß die Händler das Produkt nach Großbritannien bringen, wo es deutlich mehr einbringt als am Mittelmeer.
Wohl in kaum einer Branche variieren die Preise zwichen den EU- Mitgliedstaaten so stark wie im Pharmabereich. Schuld daran sind unterschiedliche Patentgesetze, Großhandelsstrukturen und Sozialversicherungssysteme. Dabei sehen die Pharmahersteller die sogenannten „Parallelimporte“ durch Großhändler aus Staaten mit niedrigem Preisniveau natürlich überhaupt nicht gerne, denn hier wird unmittelbar ihr Gewinn geschmälert. Bayer Spanien entwickelte deshalb Ende der 80er Jahre ein EDV-System, um die exportierenden Großhändler aufzuspüren. Bayer Frankreich begnügte sich mit handschriftlichen Listen. Zu derartigen Methoden griff eine Bayer-Niederlassung offensichtlich immer dann, wenn aufgefallen war, daß der Großhandel eines bestimmten Landes mehr „Adalat“ importiert hatte, als später in den Apotheken des eigenen Landes verkauft wurde.
Wer auf diese Schwarzen Listen geriet, wurde plötzlich am Telefon abgewimmelt oder mit billigen Ausreden abgespeist („Unser Lager ist leider etwas überlastet“). Doch der Zwischenhandel wandte sich an die Europäische Kommission, die für die Bekämpfung zwischenstaatlicher Wettbewerbsbeschränkungen zuständig ist. Mehrere Bayer-Niederlassungen in Spanien und Frankreich wurden durchsucht – mit Erfolg. Die Kommission leitete ein Verfahren ein, das gestern endlich zum Abschluß gebracht wurde.
Das Bußgeld selbst dürfte ein Unternehmen von der Größe Bayers kaum erschüttern. Trotzdem kündigte der Konzern gestern an, er wolle eine Klage am Europäischen Gerichtshof gegen die Strafe einreichen.
Die Kommission ihrerseits verweist darauf, daß nur der Umsatz des jeweiligen Produkts auf den jeweiligen Märkten als Maßtab genommen werden dürfe. „So gesehen beträgt die Geldbuße immerhin drei bis fünf Prozent des fraglichen Jahresumsatzes“, rechnet ein Kommissionssprecher vor.
Ein Sprecher des deutschen Kartellamtes zeigte sich gestern hoffnungsfroh, daß bis zum Jahr 2000 ein wirklich liberalisierter Pharma-Binnenmarkt durchgesetzt werden kann.
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