Ein stilles Örtchen

■ ... voller Lärm und Abgasgestank – der Winterhuder Marktplatz ist nach der Umgestaltung auch nicht liebenswerter geworden Von Heike Haarhoff

„Doch, doch“, versichert die gebückt gehende Frau und schlurft mit ihrem Einkaufskarren über den Fußgängerüberweg an der Barmbeker Straße, „seit die hier den Platz umgebaut haben, hat sich schon einiges verbessert. Auch mit dem Verkehr ist es...“ Der Rest geht im Geknatter anfahrender Autos unter. Ampelphasen an der Durchgangs-Bundesstraße 5 im Zentrum von Winterhude sind kurz. Die Frau muß einen Schritt zulegen, um die vierspurige Kreuzung zu überqueren, bevor ihr das anrollende Blech den Weg zum Platz abschneidet.

Der „Platz“ ist der Winterhuder Marktplatz, bis vor zehn Jahren die wohl kleinste autofreie und dennoch am höchsten mit Abgasen belastete Insel Hamburgs. Bis 1986 umkreisten Güterverkehr, Pkws, Busse, Taxis aus allen Himmelsrichtungen kommend über Hudtwalckerstraße, Barmbeker, Ohlsdorfer und Alsterdorfer Straße den Marktplatz. An dem Verkehrsknotenpunkt war zu jeder Tages- und Nachtzeit Rush-hour. Wer in den umliegenden, fünf- bis sechsstöckigen backsteinroten Mietblöcken lebte, machte sein Fenster höchstens zum jährlichen Putztag auf. Auf den Marktplatz wagten sich allenfalls Professoren, um ihren StudentInnen verfehlte Verkehrs- und Stadtplanung am Objekt zu präsentieren.

Und dann kam Eugen Wagner, der stete Bausenator, um aus der Brachfläche ein „zentrales, geschlossenes Einkaufsgebiet in zeitgemäßer Form“ zu zaubern: „Der Winterhuder Marktplatz“, wollte die Behörde den anliegenden Geschäften und Firmen die Umgestaltung schmackhaft machen, „soll wieder das liebenswerte Zentrum eines lebendigen Stadtteils werden.“ Das Kunststück ist Wagners Planern – so die traurige Bilanz zum zehnjährigen Jubiläum – leider mißlungen. Lediglich die Verbindungsstraße am nördlichen Rand wurde für den Autoverkehr gesperrt; doch am Lärmpegel und der übrigen, autobahnähnlichen Straßenführung hat sich wenig verändert. „Das ist der beste Standort, den ich kenne“, strahlt der Fahrer am Taxistand: Der Umschlagplatz für Nachtbus-Reisende beschert auch ihm ein lukratives Geschäft.

Als Ganzes überschaubar ist der Platz eigentlich nur von der bergigen Ohlsdorfer Straße: Ein Asphaltflecken mit ein paar Buden und Ständen, umrahmt von Einzelhandelsgeschäften, Banken, kleineren Restaurants. Leider ohne Bezug zum Marktplatz: Die Straßen machen die Trennung perfekt. „Hier geht ein Laden nach dem anderen pleite“, sagt der Tabakhändler aus dem zweistöckigen, halb verwaisten Einkaufszentrum „Galerie“: Die Kundschaft, die man sich durch die Umgestaltung erhofft hatte, blieb aus.

Kurioserweise ist der Marktplatz selbst nämlich ein stilles Örtchen geblieben – obwohl in einem durchaus ansprechenden Pavillon untergebracht, lädt die neue Bedürfnisanstalt nicht gerade zum Verweilen ein. Die frontal dazu stehenden Bänke irgendwie auch nicht. Im benachbarten Café trifft sich mittwochs und samstags immerhin eine Handvoll teetrinkender Hausfrauen nach ihrem Einkauf: Seit 1986 gibt es wieder einen Obst- und Gemüsemarkt, an dessen Vorgänger sich nur noch alteingesessene WinterhuderInnen erinnern: „Früher verkaufte hier der Landvogt Ohl seine Ware. Sein Bauernhof grenzte ja direkt an den Platz, bis er dann 42, 43 ausgebombt wurde“, plaudert die alte Frau mit dem Einkaufskarren. Dann verabschiedet sie sich eilig: Die Ampel hat gerade auf grün umgeschlagen.