: Der gefallene Umweltengel
Untersuchungsausschuß zur Expo-Affäre der niedersächsischen Umweltministerin beendet seine Beweisaufnahme. Für die SPD ist Monika Griefahn rehabilitiert, die CDU sieht das anders ■ Von Jürgen Voges
Natürlich hat die Kampagne gewirkt“, sagt Monika Griefahn mit Blick auf jenes zurückliegende Jahr, in dem sie nur durch die sogenannte Familienfilzaffäre Schlagzeilen machte. In der Gunst der Wähler ist die niedersächsische Umweltministerin in dieser Zeit regelrecht abgestürzt: Anfang 1994 war sie nach Gerhard Schröder noch die unbestritten populärste SPD-Politikerin Niedersachsens. Heute erhält der gefallene Umweltengel als einziges niedersächsisches Kabinettsmitglied in Umfragen negative Popularitätswerte.
An einen Rücktritt denkt Monika Griefahn dennoch nicht. Sie bezeichnet sich als Kämpfernatur und sieht sich durch den Untersuchungsausschuß zur Expo-Affäre entlastet von dem Vorwurf, sich als Expo-Aufsichtsratsmitglied für die wirtschaftlichen Interessen ihres Ehemannes eingesetzt zu haben.
Mit der Vereidigung der Umweltministerin hat der Untersuchungsausschuß am Donnerstag nach 78 Sitzungen und 108 Zeugenvernehmungen die Beweisaufnahme abgeschlossen. Der Abschlußbericht muß noch geschrieben werden, doch das Untersuchungsergebnis steht für die drei niedersächsischen Landtagsfraktionen bereits fest: Nach Ansicht der SPD ist der Vorwurf des Amtsmißbrauchs nun nachweislich vom Tisch. Die Grünen liegen mit ihrer Bewertung zwischen den beiden großen Parteien. Und selbst der CDU-Obmann im Ausschuß, Hartmut Möllring, antwortet auf die Frage, ob Griefahn nun versucht habe, als Expo-Aufsichtratsmitglied ihren Ehemamm Michael Braungart zu begünstigen, mit „ja und nein“.
Das Nein des CDU-Abgeordneten bezieht sich auf jene von der Bild-Zeitung erhobenenen Anschuldigungen, die im März 1995 die gesamte Affäre ins Rollen gebracht hatten. Niemand behauptet heute mehr, daß Griefahn dem EPEA-Umweltinstitut ihres Ehemannes einen direkten Auftrag der Expo-Gesellschaft zuschanzen wollte, als sie im Dezember 1994 in einer Vorlage für den Expo-Aufsichtsrat auch ein altes Expo-Gutachten ihres Mannes zitierte. Damit ist nichts übriggeblieben von jenem 620-Millionen-Deal, den die Bild-Zeitung sich aus einer Überschlagsrechnung zusammenphantasiert hatte, die Braungart für die Stadt Hannover erarbeitet hatte.
Einen gescheiterten Versuch der Begünstigung auf verschlungenen Umwegen sieht die CDU dennoch als erwiesen an. Der Untersuchungsausschuß hatte vor allem nachgezeichnet, wie die Expo- Aufsichtsrätin Griefahn Kontakte zum Imsa-Umweltinstitut hielt, das sich im zweiten Halbjahr 1994 bei der Expo-Gesellschaft um einen Gutachterauftrag bemühte, ihn am Ende aber nicht erhielt. Das renommierte holländische Umweltinstitut wollte in dieser Studie die Idee Braungarts ausarbeiten, im Rahmen der Expo einen Unternehmenswettbewerb der „2.000 besten Lösungen für das 21. Jahrhundert auszuschreiben“. Auch Griefahn schlug in der besagten Tischvorlage für den Expo- Aufsichtsrat Ende 1994 als Konkretisierung des Expo-Mottos die Parole „2.000 Lösungen für die Expo 2.000“ vor. Sie setzte sich damit für jenes Konzept ihres Ehemannes ein, das sich inzwischen Imsa zu eigen gemacht hatte.
CDU-Obmann Hartmut Möllring geht nun davon aus, daß das von Club-of-Rome-Gründungsmitglied Wouter van Dieren geleitete niederländische Institut einen Teil seiner bezahlten Tätigkeit für die Expo-GmbH per Unterauftrag an das EPEA-Institut weiterreichen wollte. Zumindest laut einer Zeugenaussage habe der Chef des Imsa-Institutes in einen Gespräch im Umweltministerium deutlich gemacht, daß er Braungarts Institut an der Arbeit für die Expo inhaltlich beteiligen wolle, falls die Ministerin sich bei der Expo für Imsa einsetze. Der Imsa-Chef selbst hat einen solchen Deal allerdings vor den Ausschuß bestritten. Und auch der CDU-Obmann fügt „der Gerechtigkeit halber“ hinzu, „daß die Ministerin auf dieses Angebot inhaltlich nicht eingegangen ist“. Dennoch hält der CDU-Abgeordnete den Versuch der Begünstigung über den Weg des Imsa-Institutes für erwiesen.
Die Grünen wollen dieser Bewertung der Ausschußarbeit nicht folgen. „Bei der CDU sind die letzten Anhänger einer Verschwörungstheorie versammelt“, sagt ihr Abgeordneter Thomas Schröder. Natürlich habe Braungart zunächst keineswegs uneigenützig für seine Idee einer Weltaustellung der 2.000 Lösungen geworben. Doch gerade weil der Griefahn-Ehemann, sich für sein Institut auch Aufträge von der Expo- Gesellschaft erhoffte, sei es dann zu „einem handfesten Ehestreit im Hause der Umweltministerin“ gekommen, als Griefahn im Sommer 1994 in den Expo-Aufsichtsrat ging. „Mit der Übernahme des Aufsichtsratsmandats war klar, daß Braungart und sein EPEA-Instituts keine Aufträge von der Expo mehr erwarten konnten“, erklärt der grüne Abgeordnete.
Für die Grünen hat Griefahn mit dem Einsatz für die Expo- Ideen ihres Mannes immerhin „den bösen Anschein eines fließenden Übergangs zwischen eigenem politischen Engagement und Einsatz für die wirtschaftlichen Interessen des EPEA-Instituts erweckt“. Der Landtagsabgeordnete Thomas Schröder sieht im Rückblick Griefahn aber auch als Opfer einer Kampagne. Schließlich begann das Trommelfeuer der Bild- Zeitung gegen die Ministerin, just wenige Tage nachdem diese öffentlich einen Wechsel in der Expo-Geschäftführung nicht mehr ausgeschlossen hatte. Wer die Bild-Zeitung mit jenen Vermerken der Expo-Gesellschaft versorgt hatte, aus denen sich die 620-Millionen-Story zusammenbrauen ließ, konnte der Ausschuß nicht klären. Monika Griefahn will nun zumindest bis zur nächsten Landtagswahl im Jahr 1998 weiter niedersächsische Umweltministerin bleiben. „Ich bin für eine Legislaturperiode gewählt, und die will ich auch bis zum Ende machen.“
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