Schwere Zeiten

■ Handelskammer prophezeit Ebbe in der Kasse und noch mehr Arbeitslose

In ungewohnt freundlicher Verpackung präsentierte die Hamburger Handelskammer gestern bittere Wahrheiten: Ein „konjunkturelles Zwischentief“, säuselte Geschäftsführer Gerhard Schröder, streife derzeit die Hamburger Wirtschaft und drücke die Wachstumshoffnungen von einst mageren 2 auf jetzt nur maximal 1,5 Prozent.

Schon diese scheinbar minimale Verschiebung bedeutet allerdings, so räumte Schröder ein, massive Verschlechterungen für die Stadtstaatswirtschaft: Zusätzliche Steuerausfälle in „dreistelliger Millionenhöhe“ dürften die Kasse bedrohen. Hatten sich die städtischen Finanzjongleure bereits 1995 grandios verschätzt, weil das Wachstum geringer ausfiel als erhofft, so steht jetzt schon praktisch sicher fest, daß dies auch 1996 der Fall sein wird.

Das gesamte Zahlengebäude der Finanzbehörde beruht nämlich auf einer zu optimistischen Wachstumserwartung. Im Mai 1996, wenn der Bundesarbeitskreis Steuerschätzung zusammentritt, wird auch die Finanzbehörde öffentlich zugeben müssen, was Schröder schon heute prophezeit – Steuerausfälle. Dabei weiß auch die Kammer, daß ihre mutig erhofften 1,5 Prozent Wachstum wohl zu positiv kalkuliert sind. Sie wird es nur dann geben, wenn die D-Mark nicht weiter unter Aufwärtsdruck steht und der private Konsum wieder anzieht.

So richtig düster zeigt sich auch der Geschäftsklima-Index der Kammer, der sich nach einem sensationellen Hoch im Jahr 1991 nun wieder auf rasanter Talfahrt befindet: Die Mehrzahl der Unternehmen will ihre Investitionen zurückfahren und ihre Entlassungspläne aufstocken. Allein die Banken und ein Teil der Dienstleistungsbranche gucken fröhlich in die Zukunft.

Den Erwerbslosen wird das kaum etwas bringen: Hamburgs Arbeitslosenstatistik kann sich, so warnt Schröder, in fast jedem Fall auf Zuwachs gegenüber den 1995 durchschnittlich 77.500 offiziell registrierten Arbeitslosen einstellen. Daran dürfte auch wenig ändern, daß die Zahl der Existenzgründungen direkt aus Arbeitslosigkeit deutlich zunimmt. Immerhin: Schon fast die Hälfte des ExistenzgründerInnen-Himmels ist mittlerweile weiblich. Und bereits mehr als 30 Prozent aller Hamburger Existenzgründungen werden von Frauen vorgenommen. Tendenz steigend. Florian Marten