Das vergessene Blut am Golf

Der Golfkrieg und die Berichterstattung darüber wurden inszeniert: Der angebliche Aufmarsch irakischer Soldaten und Panzer vor Saudi-Arabien war frei erfunden. Angaben über die „chirurgische“ Kriegführung der Alliierten waren erlogen. Berichte über den Einsatz irakischer Chemiewaffen wurden unterdrückt.  ■ Von Maggie O'Kane

Vor zwei, drei Monaten schickte mir jemand ein Foto. Es war in Bagdad aufgenommen, in dem bombensicheren Bunker unter dem al-Raschid Hotel, in jener Nacht zum 17. Januar 1991, als der Golfkrieg begann. Im Vordergrund drei Personen, alle lachend. Zwei Kollegen und ich. Warum auch nicht? CNN-Gewährsleute im Pentagon hatten uns damals wissen lassen, das al-Raschid Hotel stehe nicht auf der Liste der alliierten Angriffsobjekte.

Wir waren guter Dinge. In einem leeren Bankettsaal des Hotels tranken wir unser Bier. Manchmal erklommen wir die Treppen zu den oberen Stockwerken, um eine bessere Aussicht zu haben. Wir erklärten uns gegenseitig die Angriffsziele. Nur daß wir keinen Tropfen Blut zu sehen bekamen. Eigenartig: Fast 40.000 Menschen starben in diesem Krieg, und kein Tropfen Blut. Ab und zu blitzte Mündungsfeuer auf, aber insgesamt war es eher wie ein Jux: unsichtbare Lenkwaffen, intelligente Bomben, Raketen mit Computerhirn, die Linien nächtlicher Leuchtspurgeschosse. Kriegsspiele eben.

Einen Tag vor Kriegsende stand ich an einer Busstation südlich von Bagdad; auf der Straße waren nur weinende Frauen. Die irakischen Soldaten, die das „Truthahnschießen“ auf der Straße nach Basra überlebt hatten, krochen nach Hause, blutend, aus frischen Wunden. Ihre Frauen warfen sich den zerbeulten Bussen und Lastern entgegen, klammerten, flehten, bettelten: „Wo ist er, habt ihr ihn gesehen? Ist er nicht mit euch mitgekommen?“ Einige sanken, wenn sie die Nachricht hörten, mitten auf der Straße in die Knie. Andere rannten zwischen den Bussen und Autos umher und suchten nach ihren Männern, Söhnen und Geliebten – nach den 37.000 irakischen Soldaten, die nicht aus dem Krieg zurückkehren würden.

Zwei Tage später flog ich nach Hause, die Gesichter der Frauen immer noch vor Augen. Im Flugzeug fand ich eine Ausgabe von Newsweek. Auf dem Titel General Schwarzkopf; auf den Innenseiten seine triumphierende Schilderung der militärischen Operation. Ich weinte in Gedanken an die Frauen an der Busstation, aber auch weil mir unser schreckliches Versagen klar wurde, als Berichterstatter über den Krieg, über die Wahrheit und das Blut. Im folgenden will ich berichten, wie Lügen verbreitet und Kriege gewonnen werden. Wie wir als Medientroß durch den Sand geführt wurden, wie 2.000 Strandesel, um uns zeigen zu lassen, was die britischen und amerikanischen Militärs in diesem sauberen Krieg uns zeigen wollten. Und ich will berichten, wie man uns fünf Jahre später belügt, über das Schicksal von Tausenden Soldaten, die mit chemischen Waffen in Berührung kamen.

Unsere Geschichte beginnt in St. Petersburg/Florida, mit zwei Satellitenfotos, die von der russischen Satellitenfirma Soyuz Karta aufgenommen wurden. Die irakische Armee war am 2. August 1990 in Kuwait einmarschiert. In seiner Autobiographie zitiert General Schwarzkopf, was General Colin Powell zu ihm sagte: „Ich denke, wir könnten in den Krieg ziehen, wenn sie in Saudi-Arabien einmarschieren würden. Ich bezweifle, ob wir wegen Kuwait Krieg führen können.“ Bei ihrem nächsten Treffen wies der Oberbefehlshaber General Schwarzkopf an, die Entsendung von Truppen nach Saudi- Arabien vorzubereiten. „Ich war verblüfft“, schreibt Schwarzkopf. „Seit meiner Abreise von Camp David mußte ziemlich viel geschehen sein.“

Und es war tatsächlich etwas geschehen: Präsident Bush hatte in der Zwischenzeit mit der britischen Regierungschefin Margaret Thatcher konferiert. „Sie hat seine Entschlossenheit bestärkt“, formulierte es der damalige britische Außenminister Douglas Hurd.

Bush und Thatcher waren ihrer Sache sicher. Jetzt mußten sie nur noch den Rest der Welt davon überzeugen, daß Saddam sich anschickte, nach Kuwait auch noch Saudi-Arabien zu schlucken. Dies schafften sie mit Hilfe von Satellitenfotos. Auf diesen Fotos, die in den USA immer noch „top secret“ sind, war angeblich eine Konzentration von über 250.000 irakischen Soldaten zu sehen, die einmarschbereit an der Grenze zu Saudi- Arabien standen.

In den Augen der Irak-Experten machte das keinen Sinn. Obwohl Saddam Hussein die Reaktion des Westens auf seine Invasion in Kuwait zunächst unterschätzt hatte, war ihm sein Fehler ziemlich schnell aufgegangen. Kurz darauf veröffentlichten die Bagdader Zeitungen ein Foto, das 10.000 irakische Soldaten auf dem Rückzug aus Kuwait zeigte. Und Saddam Hussein teilte dem UN-Sicherheitsrat mit, daß er seine Truppen zurückziehen wolle. Es war zu spät. Thatcher und Bush überzeugten die Öffentlichkeit, Saddam sei auf ein verrücktes Abenteuer im Stile Hitlers aus: Er wolle den Nahen Osten erobern. Und man verwies auf geheime Satellitenfotos, die niemand sehen durfte.

Die Redaktion der St. Petersburg Times in Florida liegt im siebten Stock eines jener gesichtslosen Hochhäuser, die das Zentrum der amerikanischen Städte markieren. Auf den ersten Blick würde man hier nicht den Ursprung einer der sensationellsten Stories der letzten Jahre vermuten. Aber Jean Heller war neugierig geworden, als sie im September gelesen hatte, ein kommerzieller Weltraumsatellit habe Bilder von Kuwait aufgenommen. Sie wollte sehen, was die einzigen unabhängigen Fotos von dem angeblichen gigantischen Truppenaufmarsch der Irakis an der kuwaitisch-saudischen Grenze zeigten. Für 3.200 Dollar erstand ihre Redaktion die Bilder. Von den 265.000 irakischen Soldaten und 1.500 Panzern, deren Präsenz die US-Stellen behauptet hatten, zeigten die Fotos nicht die kleinste Spur. „Sie waren so klar, daß man auf dem Flugplatz von Riad die amerikanischen Flugzeuge sehen konnte, Flügel an Flügel“, erzählt Jean Heller.

Peter Zimmermann, Satellitenexperte an der George Washington Universität, erinnert sich: „Ich sah mir die Fotos mit einem Kollegen an, und wir sagten beide in derselben Sekunde: ,Wo sind sie?‘ Die Hauptstraße, die quer durch Kuwait nach Saudi-Arabien verläuft, war deutlich zu erkennen, teilweise durch Sandverwehungen unterbrochen, und es war klar, daß da keine Armee durchgekommen war. Und wir sahen Baracken, in denen eigentlich Tausende von Soldaten liegen sollten, aber auch die waren verlassen.“ Ein Jahr später sollte Powell zugeben, daß man Zahlen verwechselt hatte. Aber da war der Krieg vorbei.

Robert Gray sitzt ungeduldig im Speiseraum des Holiday Inn von Tampa/Florida. Am Tag nach dem irakischen Einmarsch in Kuwait war er von in den USA lebenden Kuwaitis angerufen worden: Sie hätten einen Auftrag für seine Firma Hill & Knowlton; er würde eine Million Dollar pro Monat bringen. Sein Ziel: das Image ihres Ölfürstentums aufzubessern.

Gray wies seine zwölf Filialen an, Spesen in Höhe von einer Million pro Monat zu produzieren. Als der US-Kongreß schwankte, ob man Truppen nach Kuwait entsenden sollte, präsentierte Gray seinen finalen Coup: Babyleichen.

Die Geschichte lautete: Irakische Soldaten hätten in den ersten Tagen der Invasion im al-Adan- Hospital die Babies aus den Brutkästen gezerrt und sie auf dem kalten Fußboden sterben lassen. Die Story wurde dem US-Kongreß im November 1990 mit anschaulichen Details vorgetragen. Und zwar von Nijira as-Sabah, der Tochter des kuwaitischen Botschafters in Washington, was ihre Zuhörer freilich nicht wußten. Denn sie behauptete in ihrer tränenreichen Aussage, sie habe die Brutalität der irakischen Soldaten miterlebt.

Hundert Meter vom al-Adan- Hospital in Kuwait-Stadt entfernt steht ein weißes zweistöckiges Schwesternheim. Myra Ancog- Cooke stammt von den Philippinen. Als ich sie sechs Monate nach Kriegsende besuchte, arbeitete sie immer noch in der Klinik. Während der irakischen Okkupation arbeitete sie in der Kinderstation und schlief in dem Brutkasten- Raum, im Wechsel mit Freida Contrais-Naig, einer anderen philippinischen Schwester.

„Ich erinnere mich, wie jemand anrief und sagte: ,Schau dir CNN an, sie sprechen über uns.‘ Wir schalteten ein, und es war schon merkwürdig, daß da ein Mädchen etwas über die Irakis erzählte, daß sie Babies aus den Brutkästen herausgezogen hätten. Ich sagte zu Freida: ,Komisch, wir haben das Mädchen hier nie gesehen.‘“

Amnesty international, das ebenfalls auf die Zeugenaussage in Washington hereingefallen war, hat den Irrtum später zugegeben. Doch inzwischen hatte Präsident Bush die Brutkastenbabies bereits fünf Mal in seine Reden eingebaut.

Sergeant Joe Queen hatte zu den ersten US-Soldaten gehört, die man mit gepanzerten Bulldozern über die saudisch-irakische Grenze schickte. Der Auftrag des 19jährigen lautete, die irakischen Soldaten in ihrem Grabensystem zuzuschütten und die Gräben so zu planieren, daß die „Big Red One“, die „Erste mechanisierte Panzerbrigade“, nachrücken konnte.

Joe Queen weiß nicht, wie viele irakische Soldaten er bei lebendigem Leibe begraben hat. Fünf Jahre später, als ich ihn besuche, erinnert er sich: „Der Sand war so weich, daß die Schaufel, sobald du sie absenkst, den Sand mühelos beiseite schiebt. Also fährst du scharf am Graben entlang. Du sitzt da oben, bei halb geöffneter Luke, und du weißt, was du zu tun hast ... Ich glaube, daß sie völlig ahnungslos waren, der Blick in ihren Gesichtern, wenn wir die Sandböschung durchbrachen, das war pures Entsetzen.“

Einer der Irakis in den Gräben war ein 30jähriger Wehrpflichtiger aus Bagdad namens Jassif. Er war an der Front bei Hafir al-Batin, wo die irakischen Soldaten zwei oder drei Tage lang von drei US-Brigaden mit Bulldozern zugeschüttet wurden. Er schätzt, daß an diesem Abschnitt etwa 300 Iraker lebendig begraben wurden. Militärische Quellen in Bagdad und Washington beziffern die Gesamtzahl der Iraker, die diesen Tod erlitten, auf ein- bis zweitausend.

„Ich sah, wie einige der Soldaten versuchten, sich zu ergeben. Aber sie wurden einfach zugeschüttet“, erinnert sich Jassif. „Einige der Soldaten gingen mit erhobenen Armen auf die Bulldozer zu, aber die rollten weiter und haben sie getötet. Es war schrecklich. Ich sah einen Soldaten, den ein Bulldozer einfach in der Mitte durchschnitten hatte. Auf der einen Seite war der Oberkörper, auf der anderen der Unterkörper.“

Joe Queen meinte heute: „Sie tun mir leid, die in den Gräben blieben. Aber sie taten es für ihr Land, genau wie wir. Das Militär hat uns mit diesen Geräten ausgestattet, und die sind nun mal für diese Aufgabe geschaffen.“

Bill Arkin war früher beim militärischen Geheimdienst und ist heute Militärberater. 1994 bat er das Verteidigungsministerium in Washington um detaillierte Auskunft über den Einsatz von Napalm gegen irakische Soldaten im Golfkrieg. Die Antwort lautete, es sei kein Napalm eingesetzt worden. Arkin schrieb erneut: Er wisse sicher von dem Napalm, und nach dem Gesetz über Informationsfreiheit sei er berechtigt, Auskunft zu erhalten. Drei Wochen später hatte er ein Antwortschreiben. Es bestätigte, daß US-Marinesoldaten im saubersten Krieg aller Zeiten 489 Napalmbomben auf die „armen Schweine in den Schützengräben“ abgeworfen hatten.

Karim Sami (34) war als Hauptmann den Napalm-Bomben ausgesetzt: „Mit jedem Angriff warfen sie etwa vier Bomben ab, es war ein richtiger Flächenbrand. Die meisten Leute konnten wir nicht retten, weil sie völlig von Napalm bedeckt waren, so daß sie sofort brannten. Einige haben nur wenig abbekommen, so konnten wir Sand auf sie werfen und sie retten. Einen meiner engsten Freunde sah ich verbrennen, als er aus dem Graben stieg, um zu pinkeln. Ich konnte nicht aus meinem Bunker raus, weil die Angriffe ständig weitergingen. Eigentlich wollte ich hinrennen und meinen Mantel auf ihn werfen, aber dann wäre ich selber auch umgekommen.“

In den Hotelsalons, auf den klinisch sauberen Pressekonferenzen, wurde fälschlicherweise der Eindruck erzeugt, der Golfkrieg sei eine Angelegenheit von „intelligenten“ Präzisionsbomben gewesen. Die meisten Luftangriffe galten der Front, wo Tausende von irakischen Soldaten – meist schiitische und kurdische Wehrpflichtige – von B52-Bombern flächendeckend unter Beschuß genommen wurden. Über 30.000 von ihnen kamen dadurch um, daß ihre inneren Organe implodierten, wenn Spezialbomben die Luft aus ihren Gräben saugten. Und Tausende starben noch auf dem Rückmarsch – nachdem der Irak bereits einem bedingungslosen Rückzug zugestimmt hatte – auf der Straße nach Basra bei jenem „Truthahnschießen“, das General Powell während der letzten Kabinettssitzung zu der Bemerkung veranlaßt hat: „Wir sollten jetzt Schluß machen. Unsere Piloten töten nur noch um des Tötens willen.“

Karim Sami erwischte es in dem Konvoy von Soldaten und Zivilisten, die auf der Straße nach Basra aus Kuwait abrückten: „Ich habe nicht damit gerechnet. Es war die schlimmste Vergeltung; man war auf allen Seiten von toten Menschen umgeben. Für uns heißt die Straße nur der ,Todesweg‘“

In den Biographien von Schwarzkopf und Powell wird betont, in den Monaten vor dem Krieg habe die Angst geherrscht, der Irak könnte seine chemischen und biologischen Waffen einsetzen. Doch seit Kriegsende wollen die Militärführungen nicht mehr zugeben, daß die Iraker chemische und womöglich auch schwach dosierte biologische Waffen eingesetzt haben – mit dem Ziel, Panik unter den alliierten Truppen auszulösen und sie durch Krankheitsausfälle zu schwächen.

Dem englischen TV-Sender Channel 4 und dem Guardian ist es gelungen, eine Fülle von Belegen dafür aufzufinden, daß solche Waffen tatsächlich eingesetzt wurden. Belege in Gestalt von erkrankten Kriegsveteranen, von denen sich Tausende heute mit einem geschwächten Immunsystem herumschlagen. Doch die staatlichen Stellen reagierten rundum ungläubig und unbarmherzig, indem sie die Symptome als „angebliches Syndrom“ und als Golfkriegslegende abqualifizierten.

Anfang 1995 sah sich das US- Verteidigungsministerium endlich gezwungen, die offiziellen Aufzeichnungen des Oberkommandos freizugeben, in denen die mutmaßlichen chemischen und biologischen Attacken protokolliert waren. Darin fanden sich zahllose Berichte von Wissenschaftlern, die Spuren von Senfgas und anderen Kampfgasen wie Sarin, Tabun und Lewisit auf dem Kriegsschauplatz entdeckt zu haben glaubten. Doch die britischen und amerikanischen Behörden sagen zu allen diesen Berichten: falscher Alarm.

Die Tests in der Wüste, insgesamt über fünfzig, wurden vornehmlich von tschechischen Spezialisten durchgeführt. Sie entdeckten Nervengas in mindestens neun Fällen. Doch die Amerikaner wie Briten wiesen ihre Einheiten an, „die Berichte der Tschechen nicht zu beachten“. Oberst Wladimir Smehlik, der einen der vier tschechischen Labortrupps leitete, meint heute, die Haltung der Briten und Amerikaner habe ihn völlig überrascht. Immer wenn sie etwas gefunden hatten, wurde ein US-Team losgeschickt, um ihre Ergebnisse nachzuprüfen. „Sie wiederholten ihre Tests immer wieder, bis alle Spuren des chemischen Stoffes verschwunden oder vom Winde verweht waren.“

Wie aus den offiziellen Protokollen hervorgeht, entdeckten britische, französische und sowjetische Einheiten auch chemische Substanzen, die von bombardierten chemischen und biologischen Arsenalen der Irakis herangeweht wurden. Anhaltspunkte dafür, daß die Soldaten chemisch-biologischen Kampfstoffen ausgesetzt waren, sind auch die Tausende von verendeten Kamelen, Schafen und Hunden, die auf dem Kriegsschauplatz gefunden wurden.

Roy Butler vertreibt sich die Zeit mit Angeln am Chattohooche River, dem Grenzfluß zwischen Georgia und Alabama. Roy und seine Frau Phyllis sind auf den ersten Blick das klassische Paar aus dem „amerikanischen Traum“. Aber da ist diese schleichende, tödliche Krankheit von Roy, die sich brutal in ihr Leben drängt.

In der Nacht vom 20. Januar 1991 war Roy Butler mit dem 24. Reservepionierbataillon der Marine in al-Dschubail, dem wichtigsten saudischen Nachschubhafen stationiert. Um drei Uhr morgens wachte er plötzlich auf. „Der Himmel über uns stand in Flammen. Wir hörten den Chemiealarm und rannten zu den Bunkern. Als ich dort ankam, brannten meine Hände, mein Gesicht, alle unbedeckten Hautflächen. Meine Lippen wurden taub. Und wir sahen dieses nebelähnliche Zeug, wie Regen. Im Bunker saßen wir ohne unsere Schutzanzüge. Funksprüche gingen hin und her – wir hörten die Frequenz der Briten ab, und die sagten, sie hätten mit ihren chemischen Detektoren Senfgas und Sarin entdeckt. Am nächsten Morgen sagte man den Soldaten, der Knall sei von einem Kampfflugzeug ausgegangen, das die Schallmauer durchbrochen hätte, und der Alarm sei von den Benzindämpfen ausgelöst worden ... Nie zuvor hatten Benzindämpfe einen Chemiealarm ausgelöst. Und es war auch kein Überschall-Knall gewesen. Ich bin Vietnam-Veteran, war an der Front, und ich weiß, was das für ein Knall war. Es war eine explodierende Rakete. Unser Vorgesetzter sagte, wir dürften über den Vorfall nicht reden.“

Der Verteidigungsausschuß des britischen Unterhauses legte am 25. Oktober 1995 einen Bericht über die Leiden der Golfkriegsveteranen vor, der das Verteidigungsministerium heftig kritisierte: „Wir sind entsetzt, daß seit Gründung der medizinischen Erfassungsstelle zwei Jahre – und seit dem Ende des Krieges vier Jahre – vergangen sind, bis das Verteidigungsministerium auch nur erwogen hat, die Daten zusammenzustellen, die für eine umfassende epidemiologische Studie nötig sind.“ Der Bericht erwähnte auch die Beschwerden von Soldaten, denen trotz beharrlichen Nachfragens „der Zugang zu ihren eigenen medizinischen Akten verweigert“ wurde oder deren Akten man teilweise geschwärzt hatte.

Aus dem Englischen von Niels Kadritzke

q The Guardian