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Der Wettlauf mit den Todes-Viren

Dem Virus auf der Spur. Im Neubau des Heinrich-Pette-Institutes auf dem Gelände der Eppendorfer Uniklinik haben vor wenigen Wochen MedizinerInnen und MikrobiologInnen den Kampf mit dem HI-Virus aufgenommen. Unter Leitung des Mediziners Hans-Georg Kräusslich versucht ein aus zehn Personen bestehendes ForscherInnenteam, das Geheimnis zu lüften, wie eine vom Virus befallene Zelle neue HIV-Erreger produziert, die die tödliche Kettenreaktion in Gang setzen.

Um später einmal zusammen mit der Industrie Medikamente zu entwickeln, die eine Ausbreitung der Viren stoppen, müssen die ForscherInnen erst einmal verstehen, wie sich das Virus im Körper vermehrt. Klar ist bereits: Eine vom HIV-Erreger befallene Körperzelle baut die Erbinformationen des Virus in ihre eigene Erbstruktur ein und beginnt, unablässig Bestandteile des Virus – jedes für sich völlig ungefährlich – zu produzieren.

An der Zellwand sammeln sich die „Viruskomponenten“, um in einem komplizierten biochemischen Prozeß zu einem vollständigen Virus-Partikel zu verschmelzen. Doch auch der ist noch nicht infektiös. Erst wenn das Virus die Zelle verlassen hat und weiter gereift ist, wird es fähig, neue Zellen zu befallen.

Die Pette-WissenschaftlerInnen hoffen nun herauszufinden, wie die Anlagerung der Virus-Teile an der Innenwand ihrer Wirtszelle und ihre Verschmelzung zu einem vollständigen Virus funktioniert. Glückt es, in diese Steuerungsmechanismen einzugreifen, könnte die Virusbildung theoretisch stark eingeschränkt werden.

Gelänge es etwa, künstlich hergestellte Virusbestandteile mit kleinen Fehlern in die Wirtszelle einzuschleusen, die dann ins Virus eingebaut werden, könnten diese das gesamte Virus möglicherweise lahmlegen. Kräusslich: „Wir haben Hinweise darauf, daß nur wenige Interaktionen in diesem Prozeß gestört werden müssen, um die Infektiösität der Viren zu reduzieren oder gar zu blockieren.“

Ein Zauberwort hier heißt Gen-Therapie. Klappt es, die Produktions-Informationen für die fehlerhaften Virus-Bausteine in das Erbmaterial der befallenen Körperzellen einzuschleusen, könnten diese quasi ihren eigenen Schutzfaktor produzieren. Doch selbst wenn es den WissenschaftlerInnen gelänge, solche Virusteile mit Sabotage-Qualität zu entwickeln, ist noch ungeklärt, wie diese punktgenau die Wirtszellen des Virus erreichen sollen.

Einfacher scheint es den ForscherInnen vom Heinrich-Pette-Institut da schon, in den Reifungsprozeß der Viren einzugreifen, nachdem diese aus ihrer Wirtszelle ausgeschleust wurden. Denn erst wenn bestimmte Eiweißketten des Virus durch ein eiweißspaltendes Enzym (Protease) in viele Teile zerschnitten wurden, kann das so veränderte Virus eine neue Zelle befallen.

Sogenannte Protease-Hemmer sind bereits im klinischen Test. Sie vermögen nach ersten Befunden den Virusbefall eines Infizierten tatsächlich drastisch zu senken. Das Problem ist nur, daß es resistente HIV-Varianten gibt, die eine solche Therapie unbeschadet überstehen und sich weiter vermehren. Der Krankheitsverlauf läßt sich so nur verzögern, nicht aber vollständig stoppen.

Kräusslich setzt seine Hoffnung im Kampf gegen AIDS auf eine Kombination unterschiedlicher Therapeutika, für deren Entwicklung auch sein ForscherInnen-Team wichtige Erkenntnisse beisteuern könnte. Wenn es etwa gelänge, eine biochemische Antwort auf mögliche Resistenz-Varianten zu finden, könnte eine Lösung möglich sein: die Entwicklung einer Medikamenten-Kombination, die das Entstehen einer Virus-Mutation verhindert, welche so viele Resistenzen aufweist, daß sie die Therapie überleben kann.

Doch da die Erbinformation des Virus bereits in den von ihm befallenen Körper-Zellen vorliegt, die damit ihrerseits immer neue Viren herstellen können, dürfte die HIV-Bekämpfung laut Kräusslich „eine lebenslange Therapie“ bleiben.

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