: Blinde Flecken tilgen
■ Evangelische Kirche will die Begegnung mit Muslimen fördern
Wer BremerInnen nach der Adresse der nächsten Moschee in ihrer Nachbarschaft fragt, erntet meist Achselzucken – wenn nicht Unverständnis. Die Antwort „sowas haben wir hier nicht“ sei selbst unter Bremens PastorInnenschaft häufig anzutreffen, sagt Peter Bick, der Pressepastor der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK). „Weil die hiesigen Moscheen kein Minarett haben, fallen sie vielen nicht auf.“ Für Bick und den Islambeauftragten der evangelischen Kirche, Heinrich Kahlert, ist es für Aufklärung höchste Zeit.
Eine 65 Seiten starke Broschüre, die die angehenden Religionswissenschaftler Hans-Ludwig Frese und Tilman Hannemann unter dem Titel „Wir sind ja keine Gäste mehr“ für die evangelische Kirche erstellt haben, soll dafür ein Werkzeug sein. Der bosnische Imam in Bremen, Ismet Hodzic, und sein Kollege von der Vulkan-Moschee, Ismet Özcan, begrüßten die Broschüre. Sie könne vielleicht Besuche in den Gemeinden fördern – zumal sich darin neben einem erklärten Wortschatz aus dem Moscheenalltag ein Verzeichnis von rund 20 muslimischen Gebetshäusern befindet. „Dann erfahren vielleicht auch unsere Nachbarn, daß es uns gibt“, sagte Özcan. Bei der Gründung seiner Gemeinde vor 20 Jahren habe sich niemand dafür interessiert.
Wenig wissen die Deutschen auch darüber, was in den Moscheen geschieht. Das erfahren sie nun aus erster Hand: Die Informationen in der Broschüre über den religiösen Alltag der jeweiligen Gemeinde stammen allerdings überwiegend von oberen muslimischen Würdenträgern.
An dieser Broschüre könne man erkennen, daß die Identifikation von islamischer Glaubensgemeinschaft mit Bombenlegern und Fundamentalisten ein Kurzschluß sei, stattdessen präsentiere sie ein Bild der Vielfalt, lobte dennoch Mehmet Kilinc, der Leiter des Bremer Islam-Archivs. Zwischen den Zeilen sei zu lesen, welche Werte jede Gemeinde besonders hochhalte. Im übrigen schloß er sich den Autoren der Broschüre an: „Keine Gemeinde ist gleich. In jeder existiert eine große Meinungsvielfalt.“
Der häufig gehörten Frage, „wo treffen die islamistischen Fanatiker sich denn?“, wollten die Autoren ausdrücklich nicht nachgehen – auch weil es diese Gruppe in Bremen so gut wie nicht gebe. Das glauben sie nun sagen zu können, nachdem sie „wohl jede Gemeinde, die ein Schild über der Tür hat“, besucht haben.
Jede? Nein, ausgerechnet eine fehlt. Dort hätte man den einen oder anderen Anhänger der algerischen Islamistengruppen beispielweise leicht treffen können. Daß nun ausgerechnet die Moschee in der Berliner Straße im Heft nicht vorkommt, erweckt den fatalen Eindruck von Schönfärberei. Das Problem des religiösen Fanatismus auszublenden, könnte die Intention der Broschüre konterkarieren: auf diese Art wird die differenzierte Auseinandersetzung mit unseren muslimischen NachbarInnen schwerlich befördert ede
Zu beziehen ist die Broschüre für acht Mark beim Amt für Öffentlichkeitsarbeit der BEK.
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