piwik no script img

Baustadträtin erlaubt Abriß wegen Profits

■ In Friedrichshain wurde die Rigaer Straße 27 zerstört. Bezirksamt will in ein Neubauprojekt des Eigentümers ziehen

Friedrichshain ist um einen Abrißskandal reicher. Nachdem Hausbesetzer am vergangenen Wochenende auf den Leerstand in der Rigaer Straße 27 aufmerksam gemacht haben, werden die Wohnungen vom Eigentümer „Bayerische Hausbau“ nun systematisch unbewohnbar gemacht. „Danach soll das ganze Gebäude abgerissen werden“, sagte Gerd Jörgens von der „Bayerischen Hausbau“. Nach der Berechnung des Eigentümers ist ein Neubau wirtschaftlicher als ein Gründerzeitbau. Das Bezirksamt Friedrichshain hatte dem Abbruch des Gebäudes bereits am 21. Dezember zugestimmt. Nach ersten Protesten wurde inzwischen aber ein Abrißstopp verfügt.

Den Abrißstopp begründete die Sprecherin von Baustadträtin Martina Albinus (parteilos, PDS- Mandat) gestern damit, daß mit Abrißmaßnahmen erst begonnen werden dürfe, wenn zusätzlich zur Genehmigung der Bauaufsicht auch das Wohnungsamt die Bereitstellung von Ersatzwohnraum geprüft habe. Eine entsprechende Abrißgehmigung liege bislang aber nicht vor. Die Abbruchgenehmigung durch die Bauaufsicht hingegen wurde von der Baustadträtin verteidigt.

Eine solche Genehmigung sei geboten, ließ Albinus mitteilen, wenn durch einen Neubau eine größere wirtschaftliche Verwertung möglich sei oder mehr Wohnraum geschaffen werde. Die Rigaer Straße 27 war bereits vor der Wende rekonstruiert und mit modernen Heizungsanlagen versehen worden.

Im Friedrichshainer Rathaus räumt man inzwischen ein, daß es „ein paar Koordinierungsschwierigkeiten“ gegeben habe. Der Schlingerkurs des Bauamts stößt unterdessen nicht nur bei den Abrißgegnern auf Unverständnis, sondern auch bei der „Bayerischen Hausbau“. Vom Wohnungsamt sei ihm – da alle Mieter Ersatzwohnraum bekommen hätte – bereits Zustimmung signalisert worden, sagte Eigentümervertreter Jörgens. Warum die Genehmigung bislang nicht erteilt sei und sich das Bauamt plötzlich querstelle, sei ihm deshalb unerklärlich.

Die PDS-Bezirksverordnete Claudia Hertel und der PDS-Abgeordnete Freke Over protestierten inzwischen gegen die Abbruchgenehmigung und verlangten, daß der Eigentümer verpflichtet werde, den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. „Offenbar hat man gedacht, das in Ruhe durchziehen zu können, und will nun den Schaden begrenzen“, mutmaßte Freke Over.

Die Münchner Firma „Bayerische Hausbau“ gehört zusammen mit der GSW zu den Investoren der Frankfurter-Allee-Passagen. Wie Peter Schoof, Baupolitiker des Bündnisses Friedrichshain mitteilte, planten die Investoren eine zweite Ausbaustufe des Passagenprojekts, in dem der Erhalt der Rigaer Straße 27 nicht vorgesehen sei. Kein Geheimnis ist auch, daß der potentielle Hauptmieter der Investoren das Bezirksamt Friedrichshain ist, das von der Petersburger Straße in das Areal zwischen Frankfurter Allee und Rigaer Straße ziehen möchte.

Die „Bayerische Hausbau“ ist in Berlin nicht unbekannt. Die Firma, deren Geschäftsführer Josef Schörghuber ein ehemaliger Intimus von Franz-Josef Strauß war, ließ zuletzt im September 1993 in Lichtenberg illegal ein Haus abreißen. Anders als in Friedrichshain hatten sich die Münchner Behörden immer wieder mit dem Baulöwen angelegt, der nicht nur Zehntausende von Wohnungen, sondern auch eine Fluggesellschaft und zwei Brauereien sein eigen nennt. Uwe Rada

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen