Beate Uhses musealer Quickie

Das Erotikmuseum in Berlin ist ein Tante-Emma-Laden für Otto Normalverbraucher. Dem Umsatz im Sexshop nebenan wird's nicht schaden  ■ Von Barbara Bollwahn

Hans-Dieter Thomsen betrachtet den nackten Hintern einer Frau, die vor einem Ofen kniet. „Das Gesäß ist zu schlank“, bekennt der Vorstandsvize der Beate Uhse Aktiengesellschaft. „Da müssen wir noch einiges nachbessern.“ Die nachgestellte „Ofenszene“ einer Lithographie des Berliner Milieumalers Heinrich Zille, auf der eine recht üppige Frau das Feuer schürt, sei noch „nicht ganz gelungen“.

Und dabei sind die „Hurengespräche“ von Zille quasi einer der wenigen Höhepunkt von „Europas größtem Erotikmuseum“, das gestern in Berlins bester Citylage, zwischen Bahnhof Zoo und Café Kranzler, eröffnet wurde. Doch Thomsen befindet sich im Vergleich zur langen Geschichte der Sexualität erst in der Phase der Pubertät. Vor vier Jahren begann er, weltweit Exponate und komplette Sammlungen wie die des Münchner Erotikmuseums aufzukaufen. Hauptsache, „Europas größtes Erotik-Museum“ öffnet pünktlich zum 50jährigen Firmenjubiläum der bekannten Flensburgerin.

Etwa zehn Millionen Mark hat sich Beate Uhse den Umbau und die Einrichtung des Museums kosten lassen und auf über 2.000 Quadratmetern so ziemlich alles ausgestellt, was auch nur entfernt mit einem Phallus, einer Vagina oder mit deren erfolgreichem Zusammenkommen zu tun hat. In Hirseschnaps eingelegte Schlangenpenisse, Keuschheitsgürtel, Geldscheine aus dem Senegal mit barbusigen Frauen, eine verhärmt aussehende Marilyn-Monroe-Figur, Schweizer Uhren, auf denen ein Penis im Sekundentakt schlägt, ein Relief von Kaiser Karl dem Großen mit Schwert und Erektion, taoistische Kopulationspraktiken, Kamasutra-Darstellungen bis zum Abwinken, eine Gedenkecke mit „The story of Beate Uhse 1945– 1995“ oder Volkskunst aus dem Salzburgerland – das Museum ist ein Tante-Emma-Laden der Erotik. Wenige Originale, viele Neuanfertigungen und Nachbildungen, deren Herkunft an asiatische Billig-Souvenirgeschäfte erinnert. Auch der Sachverständige, der eigens für die Einordnung der Exponate angeheuert wurde, scheint oftmals nicht weitergewußt zu haben. Dann fehlt eben die deutsch-, englisch- und französischsprachige Erklärung. „Wir erheben nicht den Anspruch, ein kunsthistorisches Museum zu sein“, stellt Thomsen klar. So wirken die Schriften und Fotos des Begründers der Sexualwissenschaft, Magnus Hirschfeld (siehe Kasten), in einer Ecke in der ersten Etage, vis-à-vis den Sexkabinen, wie das Verhüterli des Museums.

Die auf drei Etagen verteilten 5.000 Exponate sind „für Otto Normalverbraucher“ gedacht, klärt der Vorstandsvize auf. „Ganz bewußt“ hätte man auch „Nippes und fröhliche Dinge“ in die Vitrinen gestellt. „Für den Stammtisch oder zum Spaß“, so Thomsen. Um eine vollständige Sammlung zu präsentieren, müßte man „sich ja blöde sammeln“. Trotzdem ist Thomsen vom „tieferen Sinn“ des Museums überzeugt. Der liege, wie bei jedem Museum, in der Weiterbildung. Experten hätten eine zweistündige Verweildauer für die Otto-Zielgruppe errechnet.

Über die Verweildauer der Besucher im Sexshop gleich nebenan schweigt sich Thomsen aus. Doch damit die Artikel aus der Beate- Uhse-Jetztzeit nicht erst Staub ansetzen, locken Eröffnungsangebote zum Einführungs(!!)preis. Thomsen behauptet zwar, daß Museum und Shop „strikt getrennt“ seien. Doch genauso wie zum Liebesspiel zwei gehören, ist beides untrennbar miteinander verbunden. Im „Nonstopverfahren“ werden die Besucher vom dritten in den ersten Stock gelotst, wo der Weg in „Ihr erotisches Einkaufsparadies“ nicht zu verfehlen ist.

Und was sagt die Chefin des Erotikimperiums? „Ich wollte all das, was sich angesammelt hat, rausnehmen aus den Schubladen, wo es verstaubt.“ Nun setzt der Tinnef seinen Staub in gläsernen Vitrinen an, täglich von 9 Uhr bis Mitternacht, außer am Weihnachtsabend. Halleluja!